Tenor
1. Die Prüfungsentscheidung vom 26.2.1991 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den bei dem Beklagten bestehenden Prüfungsausschuß für Steuerberater die Aufsichtsarbeit des Klägers aus dem Verfahrensrecht und aus anderen Steuerrechtsgebieten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bewerten und über das Ergebnis der Prüfung (§ 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DVStB) erneut entscheiden zu lassen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluß festzusetzenden Erstattungsbetrags Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert wird auf 5.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger (Kl) nahm an der Steuerberaterprüfung 1990 teil. Der Prüfungsausschuß für Steuerberater bei der beklagten Behörde setzte für den schriftlichen Teil der Prüfung die Gesamtnote 4,5 und für die mündliche Prüfung die Gesamtnote 3,92 fest. Da die Prüfungsgesamtnote mit 4,21 die Zahl 4,15 übersteigt, wurde ihm am 26.2.1991 im Anschluß an die mündliche Prüfung eröffnet, daß er die Prüfung nicht bestanden habe.
Mit der am 15.3.1991 erhobenen Klage macht der Kl geltend, bei der Bewertung des Teils III (Einheitsbewertung und Vermögensteuer) der Aufsichtsarbeit aus dem Verfahrensrecht und aus anderen Steuerrechtsgebieten seien Fehler unterlaufen. Seine Einwendungen hatte der Kl erstmals mit Schreiben vom 20.9.1991 gegenüber dem Finanzministerium erhoben, von dem er am 13.1.1992 abschlägig beschieden wurde. Am 20.7.1992 legte der Kl die Begründung der Klage vor, zu der die beklagte Behörde am 13.8.1992 Stellung bezog. Am 25.2.1994 beantragte der Kl die Durchführung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens im Sinne des BFH-Beschlusses vom 10. August 1993 VII B 68/93 (BStBl II 1994, 50). Mit Schreiben vom 2.8.1994 teilte der Beklagte (Bekl) dem Kl mit, daß das verwaltungsinterne Kontrollverfahren zu keiner Änderung der bisherigen Bewertung der Steuerberaterprüfung 1990 geführt habe. Auf die angeführten Schreiben wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Der Kl hält an seinem im Schriftsatz vom 20.7.1992 erhobenen Rügen fest und macht überdies geltend (Schriftsätze vom 4.1. und 25.1.1995, auf die ebenfalls Bezug genommen wird), die Bewertung sei in der Behandlung von Folgerichtigkeiten inkonsequent verfahren.
Der Kl beantragt (sinngemäß),
unter Aufhebung der Prüfungsentscheidung vom 26.2.1991 den Bekl zu verpflichten, die Aufsichtsarbeit aus dem Verfahrensrecht und aus anderen Steuerrechtsgebieten durch den Prüfungsausschuß unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bewerten zu lassen.
Die beklagte Behörde stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen.
Für den vollständigen Vortrag des Finanzministeriums wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Schriftsätze vom 2.8.1994 und 17.2.1995 Bezug genommen.
Dem Gericht lagen die Prüfungsakten der beklagten Behörde vor; insbesondere
- die Prüfungsaufgaben mit Lösungsvorschlägen;
- die vom Kl erstellten Aufsichtsarbeiten mit den Mantelbögen.
Außerdem lagen die Aufsichtsarbeiten mit Lösungsvorschlägen zur Steuerberaterprüfung 1991 und 1992 vor.
Darauf wird ebenfalls Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
1. Das Grundrecht auf freie Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) und das Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) verlangen, daß im Fall von den Zugang zu einem Beruf eröffnenden Prüfungen zumindest die Bewertung von schriftlichen Prüfungsleistungen schriftlich zu begründen ist (BVerwG Urteil vom 9. Dezember 1992, 6 C 3.92, BVerwGE 91, 262; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2 Prüfungsrecht, 3. Aufl., Tz. 280). Die Begründung muß ihrem Inhalt nach so beschaffen sein, daß das Recht des Prüflings, Einwände gegen die Bewertung wirksam vorzubringen, ebenso gewährleistet ist wie die Möglichkeit einer sich daran anschließenden gerichtlichen Kontrolle. Daher müssen die maßgeblichen Gründe, die den Prüfer zu der abschließenden Bewertung veranlaßt haben, zwar nicht in den Einzelheiten, aber doch in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten erkennbar sein.
2. Diesem Erfordernis genügt die Bewertung des Teils III (Einheitsbewertung und Vermögensteuer) der Aufsichtsarbeit aus dem Verfahrensrecht und aus anderen Steuerrechtsgebieten – und zwar auch in der durch das verwaltungsinterne Kontrollverfahren gefundenen Form – nicht in vollem Umfang.
Der Kl hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die Leistungsbewertung, wenn sie von dem nachvollziehbar begründeten Bewertungsvorschlag der „Musterlösung” abweicht, angeben muß, aus welchen Sachgründen sie dies tut. Der Bewertungsvorschlag in der Musterlösung kann zwar den Prüfungsausschuß nicht binden. Er soll erklärtermaßen „als Hilfsmittel dienen”. Benutzen die Prüfer den Bewertungsvorschlag aber – wie das im Streitfall nicht zweifelhaft sein kann – als Ausgangsbasis für ihre Leistungsbewertun...