Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuerbefreiung einer Privatklinik nach § 3 Nr. 20b GewStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Erfüllt eine Privatklinik, die keine Pflegesatzvereinbarung mit Sozialversicherungsverträgern abgeschlossen hat, nicht die Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 AO, da sie weder gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen nach der BPflV (Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze – Bundespflegesatzverordnung) abrechnet, noch 40 % der Pflegetage auf Patienten entfallen, bei denen für Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als nach § 67 Abs. 1 AO berechnet wird, liegen die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Gewerbsteuer nach § 3 Nr. 20b EStG nicht vor.
2. Die fehlende Anpassung des § 67 AO an das veränderte Vergütungssystem für Krankenhäuser kann nicht dazu führen, dass nunmehr sämtlichen Krankenhäuser die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20b GewStG zu gewähren ist.
3. Bei der Anwendung des § 67 AO sind Privatkliniken auch nicht aus Gründen der Wertbewerbsgleichheit mit Krankenhäusern im Anwendungsbereich der BPflV gleich zu behandeln.
4. Erfüllt der Betreiber eines Krankenhauses nicht die Voraussetzungen des § 3 Nr. 20b GewStG, verstößt die Versagung der Gewerbesteuerbefreiung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 GG.
5. Die Gewerbesteuerbefreiung nach Art. 107 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) ist keine unzulässige Beihilfe.
Normenkette
GewStG 2004 § 3 Nr. 20b; AO § 67 Abs. 2; GG Art. 3, 20; AEUV Art. 107; GewO § 30; BPflV § 30; SGB V § 107; KHG § 2 Nr. 1; BPFlV § 22; BPflV §§ 10, 12-13, 8 Abs. 1 Sätze 1, 3; KHG § 17 Abs. 5; AEUV Art. 108 Abs. 3 S. 3; EGV Art. 1 Abs. 4; AEUV Art. 15
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Voraussetzungen für die Befreiung von der Gewerbesteuer nach § 3 Nr. 20b Gewerbesteuergesetz (GewStG) vorliegen und ggf. in der Versagung der Gewerbesteuerbefreiung ein Verstoß gegen höherrangiges Recht (Art. 3, 20 Grundgesetz –GG–; Art. 107 f. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union –AEUV–) liegt.
Die Klägerin ist eine am xx.xx.19xx gegründete GmbH. Gegenstand des Unternehmens ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrags (Vertragsakte) die Errichtung, Planung, Betreibung, Verwaltung und Vermietung von Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen. Die Anteile werden zu jeweils 50% von den beiden einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern A, Facharzt für …., und B, …, gehalten. Herr A nimmt die Aufgaben eines Ärztlichen Direktors wahr (§ 1 Anstellungsvertrag –Vertragsakte–). Beide Gesellschafter-Geschäftsführer betreiben daneben die Klinik Y, L (§ 18 des Gesellschaftsvertrags).
Die Klägerin betreibt in M die (Klinik), ein Privatkrankenhaus für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Krisenintervention. Sie erbringt ausschließlich allgemeine Krankenhausleistungen i.S. des § 2 der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze Bundespflegesatzverordnung vom 24. September 1994 (BGBl I 1994, 2xx0) in der im Streitjahr gültigen Fassung (BPflV). Die Klinik verfügte im Streitjahr über 39 Betten in Ein- und Zweibettzimmern, ein Therapieschwimmbecken, Außensportanlagen (Beachvolleyball, Boule) und eine eigene Diätküche. Der Klägerin ist der Betrieb der Klinik nach § 30 Gewerbeordnung genehmigt. Die Klinik wird nicht nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) gefördert, da sie nicht in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen ist. Ein entsprechender Antrag der Klägerin wurde im Jahr 1999 von dem Regierungspräsidium abgelehnt. Versorgungsverträge mit gesetzlichen Krankenkassen i.S. des § 108 Nr. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) hat die Klägerin daher nicht abgeschlossen. Sie rechnet ihre Leistungen nicht nach der BPflV ab.
Die Klinik wird in angemieteten Räumlichkeiten betrieben. Die nach dem Mietvertrag zu entrichtende Miete ist der Höhe nach teilweise entsprechend der Jahresschnittauslastung variabel gestaltet. Die monatliche Grundmiete von xx.xxx,xx EUR erhöht sich beispielsweise bei mehr als 35 Patienten pro Berechnungstag (ab dem…. bis zum…. Berechnungstag) um xx EUR pro Berechnungstag (vgl. § 6 des Mietvertrags –Gerichtsakte Bd. 2 S. 219 ff. –).
Im Streitjahr 2004 berechnete die Klägerin einen Pauschalsatz pro Belegungstag in Höhe von… EUR brutto (FG-Akte S. 25, 100), in dem alle von der Klägerin erbrachten ärztlichen und sonstigen therapeutischen/pflegerischen Leistungen, Versorgung sowie Unterbringung in Zweibettzimmern enthalten waren. Für die Unterbringung in einem Einbettzimmer erhob die Klägerin einen Zuschlag in Höhe von xx,xx EUR bei 13% der Berechnungstage.
Die Klägerin erzielte in den Jahren 1999 bis 2005 aus dem Betrieb der Klinik Gewinne in folgender Höhe:
1999 |
2000 |
2001 |
2002 |
2003 |
2004 |
2005 |
DM |
DM |
DM |
EUR |
EUR |
EUR |
EUR |
./. xxx |
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Mit Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2004 vom 07. Februar 2006 setzte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) ...