Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuerrechtliche und gewerbesteuerrechtliche Organschaft. Auslegung von Gewinnabführungsverträgen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Anerkennung einer körperschaftsteuerechtlichen und gewerbesteuerrechtlichen Organsschaft setzt voraus, dass eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG vereinbart wird.
2. Bei einem Gewinnabführungsvertrag handelt es sich nicht um einen rein schuldrechtlichen Vertrag, sondern um einen gesellschaftsrechtlichen Organisationsvertrag, so dass Entstehungsgeschichte und intern gebliebene Vorstellungen der am Vertragsschluss beteiligten Personen, für die sich im Vertrag selbst keine ausreichenden Anhaltspunkte finden, bei der Auslegung nicht berücksichtigt werden können.
Normenkette
KStG §§ 14, 17 S. 2 Nr. 2, § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 S. 1; AktG § 302; GewStG § 2 Abs. 2 S. 2; AO §§ 41-42
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer körperschaftsteuerrechtlichen und einer gewerbesteuerrechtlichen Organschaft.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft (AG). Sie ist alleinige Gesellschafterin der A C GmbH (A C GmbH). Unter dem 18. Dezember 2008 schloss die Klägerin mit der A C GmbH einen Gewinnabführungsvertrag (Hinweis auf die –berichtigte– Urkunde des Notars X, UR xxx, Bl 313 ff. der Körperschaftsteuerakte –KSt-A– nebst Nachtragsvermerk vom 22. Dezember 2008, Bl. 127 der Rechtsbehelfsakte –Rb-A–). Dieser Vertrag lautete auszugsweise wie folgt:
§ 1 Gewinnabführung |
(1) Die A C GmbH verpflichtet sich, ihren Gewinn an die … [Klägerin] abzuführen. Abzuführen ist – vorbehaltlich einer Bildung oder Auflösung von Rückstellungen nach Abs. 2 – der ohne die Gewinnabführung entstehende Jahresüberschuss, vermindert um einen etwaigen Verlustvortrag aus dem Vorjahr und um den Betrag, der in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist. |
(2) … |
(3) Die Verpflichtung zur Gewinnabführung gilt erstmals für den Gewinn des Geschäftsjahres, in dem dieser Vertrag wirksam wird. |
§ 2 Verlustübernahme |
Die … [Klägerin] ist verpflichtet, jeden während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 den freien Rücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind. |
Ein § 2 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages existiert nicht. Eine Einbeziehung der Regelungen des § 302 des Aktiengesetzes (AktG) erfolgte nicht. Der Vertrag wurde nach § 5 Abs. 2 mit seiner Eintragung in das Handelsregister – die am 23. Dezember 2008 erfolgt ist (vgl. HRB xxx des Amtsgerichts G [G], Bl. 133 ff. der Gerichtsakte [GA]) – wirksam und für die Zeit bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 fest abgeschlossen.
In ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2008 (Streitjahr) vom 23. Juni 2009 (Bl. 42 ff. KSt-A) gab die Klägerin in Zeile 64 an, von der Summe ihrer Einkünfte sei u.a. ein von der A C GmbH übernommener Verlust in Höhe von 23.814.786 EUR abzuziehen.
Diesen Betrag wies sie auch in den Zeilen 11 bis 13 der Anlage ORG aus. In Zeilen 20 und 82 i.V.m. mit der Ergänzungsliste der Gewerbesteuererklärung für 2008 vom 24. Juni 2009 (Bl. 7 ff., 12 der Gewerbesteuerakte – GewSt-A –) wies die Klägerin den übernommenen negativen Gewerbeertrag mit 23.690.486 EUR aus. Die gleichen Angaben enthalten die (nach Durchführung einer Außenprüfung für die Jahre 2003 bis 2007) eingereichten, aufgrund des Prüfungsberichts vom 5. Oktober 2009 (abgeheftet in der Betriebsprüfungsakte) berichtigte Körperschaftsteuererklärung vom 12. Januar 2010 (Bl. 279 ff. KSt-A, 29 ff. GewSt-A) nebst Anlage ORG (Bl. 298 KSt-A) sowie Gewerbesteuererklärung vom 11. Januar 2010 nebst Ergänzungsliste (Bl. 23 ff. 28 GewSt-A). In der Mitteilung für den Organträger vom 2. September 2009 (Bl. 118 f. KSt-A) teilte die für die Veranlagung der A C GmbH zuständige Stelle der für die Veranlagung der Klägerin zuständigen Stelle mit, dass als Ergebnisübernahme des Organträgers ein Verlust in Höhe von 23.822.460 EUR angefallen sei. Das dem Organträger zuzurechnende Einkommen betrage -23.814.785 EUR. Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) folgte den übereinstimmenden Angaben in den Steuererklärungen bzw. der Mitteilung für den Organträger in den Körperschaftsteuerbescheiden für das Streitjahr vom 9. September 2009 und 29. Januar 2010, die jeweils (weiterhin) gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen. Ebenso verfuhr das FA in den Gewerbesteuermessbescheiden für das Streitjahr vom 8. September 2009 sowie 29. Januar 2010. Der verbleibende Verlustvortrag der A C GmbH wurde durch Feststellungsbescheid 2. September 2009 (Bl. 115 KSt-A) mit 7.768.464 EUR (wie im Vorjahr) festgestellt.
Währenddessen hatte der für die Veranlagung der Klägeri...