Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweislast hinsichtlich der Frage, ob geänderte Feststellungen bereits im Folgebescheid berücksichtigt worden sind

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Aus der nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO bestehenden Pflicht der Finanzverwaltung zur Anpassung des Folgebescheids an den geänderten Grundlagenbescheid ergibt sich nicht, dass eine Anpassung des Folgebescheids tatsächlich erfolgt ist.

2. Fehlt es an der Umsetzung eines fehlerhaften Grundlagenbescheides im Folgebescheid und entspricht der Folgebescheid bereits dem geänderten Grundlagenbescheid, kann eine „Anpassung” unterbleiben.

3. Führt die Umsetzung der Feststellungen des Grundlagenbescheids zu einer Herabsetzung der Einkommensteuer, trägt der Steuerpflichtige die Beweislast dafür, dass der Folgebescheid nicht bereits dem Grundlagenbescheid entspricht.

4. Die Vernichtung der Behördenakten und Löschung der Konten beim Finanzamt führt nicht zu einer Beweislastumkehr zu Lasten der Finanzverwaltung.

 

Normenkette

AO § 171 Abs. 10, § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 182 Abs. 1; FGO § 90 Abs. 2, § 101

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.01.2009; Aktenzeichen X R 18/08)

BFH (Urteil vom 28.01.2009; Aktenzeichen X R 18/08)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Klägerin (Kl.) begehrt die Änderung von Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1974 und 1976.

Sie ist Rechtsnachfolgerin ihres im Jahre 1997 verstorbenen Ehemannes, der unter anderem an der A GmbH und Co. KG („…”) als Kommanditist beteiligt war.

Das Finanzamt für Körperschaften IV X (Betriebsstättenfinanzamt) erließ am 23. Dezember 2002 einen geänderten Feststellungsbescheid für 1976 über Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus der Beteiligung an der A GmbH und Co. KG (im Folgenden: KG), in dem für den verstorbenen Ehemann der Kl. Einkünfte von – 2.840,35 DM festgestellt wurden. Zugleich heißt es in der entsprechenden Mitteilung an den Bekl., der Feststellungsbescheid vom 17. Juli 1984, in dem ein Veräußerungsgewinn von 342.024,91 DM berücksichtigt worden sei, werde hiermit abgeändert.

Am 08. Juli 2003 stellte das Betriebsstättenfinanzamt außerdem in einem nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AO geänderten Feststellungsbescheid für 1974 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus der Beteiligung an der KG in Höhe von – 4.000 DM (Sonderbetriebsausgaben) fest. Dieser Bescheid ändere den Bescheid vom 17. Juli 1984, in dem – wegen der Berücksichtigung laufender Einkünfte von 102.529,02 DM – Einkünfte in Höhe von 98.529,02 DM festgestellt worden seien (vgl. hierzu das Schreiben des zuletzt genannten Finanzamts vom 24. Juli 2003 Bl. 21 Rückseite der Einkommensteuerakte).

Die Kl. beantragte mit Schreiben vom 19. Februar 2003, die Einkommensteuerfestsetzungen für 1974 und 1976 im Hinblick auf die geänderten Gewinnfeststellungen zu ändern.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2003 lehnte der Bekl. die beantragte Änderung des Einkommensteuerbescheids 1974 mit der Begründung ab, dass aufgrund der vorliegenden Unterlagen die Beteiligung bereits in Höhe von – 4.000 DM berücksichtigt sei. Zugleich wurde mitgeteilt, dass für 1976 eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO (nur) insoweit erfolge, als der laufende Verlust aus der KG von 2.840,35 DM zusätzlich berücksichtigt werde, nicht aber das Entfallen der positiven Veräußerungsgewinne aus der A KG, weil diese bislang in den Einkommensteuerbescheiden ohnehin nicht erfasst worden seien.

Die Kl. erhob hiergegen am 30. Dezember 2003 Einspruch.

Am 05. Januar 2004 erließ der Bekl. einen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 1976, in dem der zusätzliche laufende Verlust aus der KG von 2.840,35 DM berücksichtigt wurde. Dieser wurde aus Gründen, die für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung sind, am 21. Januar 2004 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO abgeändert.

Der Bekl. wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidungen vom 22. Juni 2004 als unbegründet zurück. Für 1974 wurde darauf hingewiesen, dass zum Zeitpunkt des Änderungsantrags die Steuerakten des Jahres 1974 bereits ausgesondert und vernichtet worden seien. Wegen Kontolöschung seien auch keinerlei Daten über eine entsprechende Einkommensteuerfestsetzung für 1974 mehr vorhanden. Der von der Klägerseite in Kopie vorgelegte Einkommensteuerbescheid vom 09. November 1982 habe bereits den zutreffenden Gewinn aus gewerblicher Beteiligung an der KG berücksichtigt. Aus den darauf befindlichen handschriftlichen Notizen könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass die KG-Beteiligung in der aktuell zutreffenden Höhe bereits berücksichtigt worden sein müsse. Jedenfalls könne aus den zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht geschlossen werden, das Finanzamt habe die Feststellung vom 17. Juli 1984 mit dem hohen Beteiligungsgewinn in einem geänderten Folgebescheid berücksichtigt. Ein solcher liege offenbar auch der Kl. selbst nicht vor. Für 1976 führte der Bekl. aus, dass ebenfalls die Steuerunterlagen vernichtet und wegen K...

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