Entscheidungsstichwort (Thema)
Von einem Arbeitnehmer nach einem Autounfall auf dem Weg zur Arbeit selbst getragene Behandlungs- und Operationskosten nicht zusätzlich zur Entfernungspauschale als Werbungskosten abziehbar
Leitsatz (redaktionell)
Auch vom Steuerpflichtigen selbst getragene Behandlungs- bzw. Krankenhauskosten nach einem Autounfall (im Streitfall: operative Nasen- und Ohrenmuschelkorrektur zur Wiederherstellung des zertrümmerten Gerichtsknochens und des Nasenbeins) auf dem Weg zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sind mit der Entfernungspauschale des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG abgegolten (§ 9 Abs. 2 Satz 1 EStG) und nicht zusätzlich zur Entfernungspauschale als Werbungskosten abziehbar. Aufgrund der Zugehörigkeit der Aufwendungen zu den Werbungskosten scheidet auch ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen aus (gegen H 9.10 der LStH 2014, wonach Unfallkosten grundsätzlich als allgemeine Werbungskosten neben der Entfernungspauschale berücksichtigt werden können).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, Sätze 1-2, Abs. 2 S. 1, § 33 Abs. 2 S. 2; LStH 2014 H 9.10
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit von ärztlichen Behandlungskosten nach einem Autounfall auf dem Weg zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte als Werbungskosten.
Die verheirateten Kläger wurden im Streitjahr 2014 zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Beide Kläger erzielten als kaufmännische Angestellte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die Klägerin außerdem Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Kläger haben zwei sich in Ausbildung befindliche Kinder, für die sie im Streitjahr kindergeldberechtigt waren.
Die Klägerin machte in ihrer am 30. Oktober 2015 beim Beklagten eingereichten ESt-Erklärung Kosten in Höhe von 2.402,00 EUR für einen Autounfall geltend, den sie im Februar 2013 auf ihrem Arbeitsweg erlitten hatte. Dabei handelte es sich im Wesentlichen um von der Klägerin getragene Kosten für eine operative Nasen- und Ohrmuschelkorrektur.
Der Beklagte veranlagte die Kläger mit Bescheid vom 4. Januar 2016 zur ESt und behandelte die streitgegenständlichen Kosten dabei hauptsächlich als nicht abzugsfähig. Lediglich Kosten für Kontaktlinsen und Zuzahlungen wurden in Höhe von insgesamt 545,39 EUR als außergewöhnliche Belastung anerkannt, wobei dies keine steuerlichen Auswirkungen hatte. Die Summe der anerkannten außergewöhnlichen Belastungen betrug 2.250,00 EUR.
Gegen diesen ESt-Bescheid legten die Kläger mit Schriftsatz vom 21. Januar 2016 Einspruch ein, mit dem sie weiterhin die Anerkennung der unfallbedingten Kosten in Höhe von 2.402,00 EUR als Werbungskosten begehrten. Da diese Kosten im Nachgang des Unfalls auf dem Rückweg von der Arbeit entstanden seien, unterfielen sie als Folgekosten der Einkunftsart „nichtselbständige Arbeit” und seien also als Werbungskosten abzugsfähig. Dabei sei es zur Wiederherstellung des zertrümmerten Gesichtsknochens und des Nasenbeins der Klägerin auch notwendig gewesen, die konkreten ärztlichen Leistungen in Anspruch zu nehmen, obgleich die Berufsgenossenschaft die Kosten nicht übernommen habe. Dies liege allein daran, dass die Leistungen nicht zur sog. Grundversorgung zählten. Für die medizinische Behandlung sei mit 2.000,00 EUR zudem ein faires Pauschalhonorar vereinbart worden.
Im Einspruchsverfahren forderte der Beklagte die Kläger mit Schreiben vom 28. Januar 2016 auf, Unterlagen zum Schriftverkehr mit der Berufsgenossenschaft vorzulegen. Dieses Verlangen wiesen die Kläger mit der Begründung zurück, ein solcher Schriftverkehr habe gar nicht stattgefunden, da sich das behandelnde Krankenhaus hinsichtlich der Frage der Kostenübernahme üblicherweise direkt an die Berufsgenossenschaft wende. Zudem übernehme diese, wie vorgetragen, lediglich eine Grundversorgung, zu der der für die „Wiederherstellung des Gesichts” der Klägerin notwendige ärztliche Eingriff ohnehin nicht gezählt habe.
Mit Einspruchsentscheidung vom 24. Januar 2017 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Nach Auffassung des Beklagten seien gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sämtliche Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte bereits durch die Entfernungspauschale abgegolten. Für Behandlungs- bzw. Krankenhauskosten nach einem Wegeunfall kämen die gleichen Grundsätze zur Anwendung wie für Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Reparatur eines bei einem Wegeunfall beschädigten PKW entstünden. Insoweit könne auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. März 2014 (Az.: VI R 29/13) verwiesen werden. Ein Abzug der streitgegenständlichen Kosten als Werbungskosten sei danach ausgeschlossen. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 EStG sei eindeutig und verstoße als zulässige Pauschalierung nicht gegen Verfassungsrecht. Auch ...