Entscheidungsstichwort (Thema)
Hemmung der Festsetzungsverjährung bei zu Unrecht angenommener Umsatzsteuerorganschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Klage der zum Verfahren des Organträgers hinzugezogenen Organgesellschaft wegen der vom FA abgelehnten Organschaft führt nicht zur einer Hemmung der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 3a AO der gegen den Hinzugezogenen selbst festgesetzten Umsatzsteuer.
2. Eine analoge Anwendung der Jahresfrist des § 174 Abs. 4 S. 3 AO zur Korrektur einer Umsatzsteuerfestsetzung dahingehend, dass die Bestätigung einer Rechtslage durch ein klagabweisendes Urteil einer Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides durch die Behörde gleichsteht, scheidet aus.
Normenkette
AO § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 171 Abs. 3, 3a, 14, § 174 Abs. 5 S. 1, Abs. 4, § 164 Abs. 2, § 37 Abs. 2, §§ 228, 229 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 21. März 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Mai 2014 wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der noch zu erlassende Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500,00 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten. Beträgt der vollstreckbare Kostenerstattungsanspruch 1.500,00 EUR oder darunter, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. In diesem Fall kann der Beklagte der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine GmbH, reichte im Jahr 2005 ihre Umsatzsteuererklärung für 2004 ein. Darin errechnete sie eine Umsatzsteuerzahllast in Höhe von 57.815,58 EUR.
Mit Schreiben vom 30. Dezember 2009, das am selben Tag beim Beklagten einging, beantragte die Klägerin die Aufhebung dieser Umsatzsteuerfestsetzung für 2004. Zur Begründung führte sie an, sie sei keine Unternehmerin, weil eine umsatzsteuerliche Organschaft bestehe. Ihr Betriebsgrundstück habe sie von der Organträgerin, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Weiteren: GbR), gemietet.
Des Weiteren beantragte sie die Erstattung der festgesetzten und gezahlten Umsatzsteuer abzüglich derjenigen Vorsteuern, die auf die Vermietungsumsätze zwischen ihr und der GbR entfielen. Mit Bescheid vom 2. Februar 2011 gab der Beklagte dem Antrag der Klägerin statt und hob die Umsatzsteuerfestsetzung auf. Der Beklagte überwies das daraus entstandene Guthaben im März 2011 an die Klägerin.
Der Beklagte rechnete nunmehr in dem geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2004 vom 30. Dezember 2010 die Ausgangsumsätze der Klägerin der GbR zu. Die GbR legte gegen diesen Bescheid am 17. Januar 2011 Einspruch ein.
Am 25. Februar 2011 schrieb der Beklagte an die Bevollmächtigte der Klägerin:
„Hiermit werden Sie […] zum Einspruchsverfahren der GbR C […] hinsichtlich des geänderten Umsatzsteuerbescheides 2004 hinzugezogen […] Als Hinzugezogene hat Ihre Mandantin die gleichen Rechte im Einspruchsverfahren wie die Einspruchsführerin.” Das Schreiben wurde am selben Tag mit einfachem Brief versandt. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2011 teilte der Beklagte der Klägerin „zur Klarstellung” mit, dass die Hinzuziehung nicht den Bevollmächtigten persönlich betreffe, sondern die Klägerin.
Der Beklagte gelangte zur Auffassung, dass keine Organschaft vorliege. Die stattgebende Einspruchsentscheidung vom 23. Dezember 2011 begründete er damit, dass das Betriebsgrundstück nicht von der GbR vermietet werde, sondern von einer (personenidentischen) Bruchteilsgemeinschaft. Somit bestehe keine wirtschaftliche Eingliederung.
Die Einspruchsentscheidung wurde am 23. Dezember 2011 mit einfachem Brief per Post an die Klägerin übersandt.
Gegen die genannte Einspruchsentscheidung erhob die Klägerin am 27. Januar 2012 Klage. Mit Urteil vom 7. August 2013 wies das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg die Klage unter dem Aktenzeichen 14 K 414/12 als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde nahm die Klägerin zurück. Der Einstellungsbeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) erging am 10. Dezember 2013.
Mit Bescheid vom 21. März 2014 erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2004, dessen Inhalt der 2005 eingereichten Umsatzsteuererklärung entspricht. Hiergegen legte die Klägerin am 27. März 2014 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 15. Mai 2014 als unbegründet zurückwies.
Die Klägerin erhob hiergegen am 28. Mai 2014 Klage. Sie ist der Auffassung, der Umsatzsteuerbescheid für 2004 vom 21. März 2014 sei wegen eingetretener Festsetzungsverjährung rechtswidrig. Gemäß § 174 Abs. 5 Satz 1 Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 174 Abs. 4 Sätze 2 und 3 AO ende die Ablaufhemmung ein Jahr nach Aufhebung bzw. Änderung des Umsatzsteuerbe...