Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlängerung der Frist zwischen Anschaffung und Veräußerung bei privaten Grundstücken von 2 auf 10 Jahre durch das Steuerentlastungsgesetz verfassungskonform. Einkommensteuer 1999
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verlängerung der Spekulationsfrist bei privaten Grundstücken von 2 auf 10 Jahre verstößt jedenfalls in einem Fall der unechten Rückwirkung, bei dem der Tatbestand des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG erst durch ein Veräußerungsgeschäft nach der Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 verwirklicht wurde, nicht gegen das verfassungsmäßige Rückwirkungsverbot.
2. Da der Tatbestand des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG eine Spekulationsabsicht nicht voraussetzt, kann ein schutzwürdiges Vertrauen in das Fortbestehen der zweijährigen Spekulationsfrist nur bei solchen Steuerpflichtigen bestanden haben, die ein Grundstück nur im Hinblick auf die „Entstrickung” nach Ablauf der zweijährigen Frist erworben haben und den Erwerb unterlassen hätten, wenn sie mit der rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist gerechnet hätten. Der Vertrauensschutz erfasst aber nicht denjenigen Steuerpflichtigen, der ein jahrelang zur Erzielung von Vermietungseinkünften genutztes Grundstück erst kurz vor Ablauf der nun auf 10 Jahre verlängerten Frist veräußert.
Normenkette
EStG 1997 § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1; EStG 1997 § 52 Abs. 39 S. 1; StEntlG 1999/2000/2002
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Verlängerung der Frist zwischen Anschaffung und Veräußerung von privaten Grundstücken von 2 auf 10 Jahre durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (StEntlG 99 ff.) verfassungswidrig ist.
Der Kläger hatte durch notariellen Vertrag vom 29. August 1990 das Grundstück erworben. Er erzielte daraufhin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Grundstück. Durch notariellen Vertrag vom 22. April 1999 veräußerte er das Grundstück. Er trägt hierzu vor, er habe bereits am 14. Oktober 1997 einen Maklerauftrag zum Verkauf gegeben; wegen der angespannten Lage auf dem Immobilienmarkt sei der Verkauf erst im Jahr 1999 realisiert worden.
Das beklagte Finanzamt (FA) unterwarf dieses private Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1999 mit dem der Höhe nach unstreitigen Veräußerungsgewinn (§ 23 Abs. 3 Satz 1 EStG) i.H.v. 49.047 DM im Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 7. September 2000 der Einkommensteuer. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2001 zurückwies.
Mit der Klage macht der Kläger geltend, die Regelung des § 23 EStG in der Fassung durch das StEntlG 99 ff. sei verfassungswidrig; sie verstoße gegen das Rückwirkungsverbot, den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) und gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Wegen der Begründung dieses Vorbringens wird auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 3. Mai 2001 verwiesen.
Der Kläger beantragt,
den angefochtenen Einkommensteuerbescheid dahin zu ändern, dass der Veräußerungsgewinn aus dem privaten Veräußerungsgeschäft i.H.v. 49.047 DM unberücksichtigt bleibt.
Das FA beantragt.
die Klage abzuweisen.
Auf seinen Schriftsalz vom 29. August 2001 wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage kann keinen Erfolg haben.
Das FA hat zu Recht den Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG der Besteuerung unterworfen. Die gesetzliche Regelung (§ 23 EStG in der Fassung des StEntlG 99 ff., § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG), wonach für private Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken usw. nach dem 31. Dezember 1998 die „Spekulationsfrist” um 10 Jahre verlängert wurde, verstößt nicht gegen das GG.
I. Die Ausdehnung des Zeitraums zwischen der Anschaffung und der Veräußerung des Grundstücks auf 10 Jahre verstoß nicht gegen das sogenannte Rückwirkungsverbot.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) ist zu unterscheiden zwischen echter und unechter Rückwirkung (1. Senat) bzw. zwischen der Rückbewirkung von Rechtsfolgen und der tatbestandlichen Rückanknüpfung (2. Senat). Eine echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen liegt danach vor, wenn das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Eine solche Rückwirkung soll grundsätzlich unzulässig sein. Dagegen ist eine unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung anzunehmen, wenn sie auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die Rechtsposition nachträglich im Ganzen entwertet. Die unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung soll grundsätzlich zulässig sein, allerdings mit der Einschränkung, dass auch hier zwischen dem Vertrauensschaden des Bürgers und dem gesetzgeberischen Anliegen für das Gemeinwohl abzuwägen ist (z....