Entscheidungsstichwort (Thema)
Deutliche Erhöhung des Verspätungszuschlags im Rahmen der Einspruchsentscheidung zur Sanktionierung des bisherigen Steuererklärungs-Abgabeverhaltens des Steuerpflichtigen zulässig
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Einspruchsverfahren gegen die Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist nach § 367 Abs. 2 S. 1 AO die Ermessensentscheidung der Verwaltung nicht lediglich auf Ermessensfehler zu überprüfen, sondern es ist vielmehr unter Berücksichtigung des Vorbringens des Einspruchsführers ggf. eine neue Ermessensentscheidung zu treffen, wobei die Gründe neu gewichtet oder andere Gründe herangezogen werden können. Nach vorheriger Ankündigung ist ggf. auch eine Verböserung des Verspätungszuschlags rechtlich zulässig (entgegen FG Rheinland-Pfalz v. 20.3.1998, 3 K 2262/96, wonach eine Verböserung ohne Änderung der Ermessenskriterien nicht zulässig sein soll).
2. Im Streitfall: nach wiederholter deutlich verspäteter Abgabe der Umsatzsteuererklärung in den Vorjahren Festsetzung eines Verspätungszuschlags von zunächst 100 Euro bei erneut verspäteter, erst nach Ergehen eines Schätzungsbescheids erfolgter Abgabe der Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr, u. a. mit Sanktionierung des bisherigen Abgabeverhaltens gestützte Erhöhung des Verspätungszuschlags bei einer Jahresumsatzsteuer von rund 156.000 Euro und einer Abschlusszahlung von ca. 200 Euro auf nunmehr 1.500 Euro im Rahmen der Einspruchsentscheidung.
Normenkette
AO § 152 Abs. 1-2, §§ 5, 367 Abs. 2 S. 2; FGO § 102
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Nachdem die Klägerin die Steuererklärungen für die Jahre 2007 mit 31 bzw 2 Monaten und für 2009 mit 7 Tagen Verspätung eingereicht hatte, forderte der Beklagte die Steuererklärungen für das Kalenderjahr 2010 vorzeitig zum 30.9.2011 an. Der Beklagte erließ am 20.10.2011 im Schätzungswege u.a. einen Umsatzsteuerbescheid für 2010 und setzte gleichzeitig einen Verspätungszuschlag in Höhe von 480 EUR fest. Gegen den Umsatzsteuerbescheid legte die Klägerin am 4.11.2011 Einspruch ein und reichte am 17.11.2011 die Steuererklärung ein. Der Beklagte erließ daraufhin am 29.11.2011 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid. Die Umsatzsteuer wurde auf 156.196,58 EUR festgesetzt, die Abschlusszahlung betrug 200,46 EUR. Gleichzeitig setzte der Beklagte den Verspätungszuschlag auf 100 EUR herab.
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und machte geltend, sie habe die vorzeitige Anforderung der Steuererklärung übersehen und eine Erinnerung an die Abgabe der Steuererklärung sei nicht erfolgt. Der Beklagte wies mit Schreiben vom 17. Januar 2012 darauf hin, dass er einen Verspätungszuschlag in Höhe von 1.500 EUR für angemessen halte und drohte insoweit eine Verböserung im Einspruchsverfahren nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO an. Mit der am 29.3.2012 ergangenen Einspruchsentscheidung erhöhte der Beklagte den Verspätungszuschlag auf 1.500 EUR. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin die Veranlagungstätigkeit erheblich gestört habe, indem sie erst nach Schätzung der Besteuerungsgrundlagen die Steuererklärung übersandt habe. Die Frist zur Abgabe der Steuererklärungen sei um 6 Wochen überschritten worden, die Klägerin habe bereits für die Veranlagungszeiträume 2007 und 2009 die Steuererklärungen mit Verspätung eingereicht. Da der Druck auf den Steuerpflichtigen, ihn zur fristgerechten Einhaltung der Erklärungspflichten anzuhalten, nicht von der Wegnahme des erlangten Zinsvorteils sondern von der darüberhinausgehenden Auferlegung einer Geldsanktion ausgehe, erscheine ein Verspätungszuschlag von 1.500 EUR und damit 0,967 % der festgesetzten Umsatzsteuer angemessen. Der geringe Prozentsatz bezogen auf die festgesetzte Steuer erfolge aufgrund der geringen Nachzahlung. Eine geringere Festsetzung sei in Anbetracht des bisherigen Abgabeverhaltens nicht geeignet, den Zweck des Verspätungszuschlags zu erfüllen. Der Einwand, die vorzeitige Anforderung sei übersehen worden, stelle keinen hinreichenden Grund für das Absehen von Verspätungszuschlägen dar. Die Klägerin sei auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung hingewiesen worden. Eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin sei nicht vorgetragen worden und sei auch nicht ersichtlich.
Die Klägerin macht geltend, Ermessen könne grundsätzlich nur einmal ausgeübt werden. Nur wenn sich die für die Bemessung des Verspätungszuschlags maßgeblichen Kriterien wesentlich veränderten oder der Steuerpflichtige seinen Verpflichtungen über einen langen Zeitraum nicht nachkomme, könne eine Neufestsetzung des Verspätungszuschlags erfolgen. Sie habe die Steuererklärungen umgehend eingereicht, so dass keine dieser Voraussetzungen erfüllt seien. Der Beklagte habe die Ermessenserwägungen weder für die erste noch die zweite Entscheidung offen gelegt. Eine Verb...