Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitliches Beschäftigungsverhältnis bei Beschäftigung in zwei Betrieben derselben unternehmerisch tätigen natürlichen Person
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Voraussetzungen für die Annahme einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne von § 40a Abs. 2 EStG beurteilen sich ausschließlich nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben.
2. Es ist nicht möglich, bei demselben Arbeitgeber neben einer nicht geringfügigen versicherungspflichtigen Beschäftigung auch eine (mangels Zusammenrechnung) versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung zu verrichten. Vielmehr muss eine Zusammenrechnung der Lohnzahlungen vorgenommen werden, wenn diese von demselben Arbeitgeber stammen, selbst wenn die Arbeitsverhältnisse unterschiedlich ausgestaltet sind.
Normenkette
EStG §§ 19, 40a Abs. 2; SGB IV § 8 Abs. 1-2
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid 2018 vom 05.08.2019, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.08.2022 und des Änderungsbescheides vom 23.09.2021, wird dahingehend abgeändert, dass die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um EUR 4.500 EUR verringert werden. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten überlassen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern zu 71 % und dem Beklagten zu 29 % auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird wegen der Einkommensteuer 2016 und der Einkommensteuer 2017 zugelassen. Im Übrigen wird sie nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage eines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses bei Beschäftigung des Klägers in zwei Betrieben derselben unternehmerisch tätigen natürlichen Person.
Die Kläger wurden in den Streitjahren 2016 bis 2018 als nicht dauernd getrenntlebende Ehegatten gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger arbeitete seit dem 1.11.2009 aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 28.10.2009 (nachfolgend: Arbeitsvertrag 2009) zwischen ihm und dem u.a. unter der Firma C… auftretenden Taxibetrieb des Herrn D… als unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, dessen im Rahmen dieser Beschäftigung gezahlter Bruttoarbeitslohn nach individuellen Besteuerungsmerkmalen lohnbesteuert wurde.
In § 1 des Arbeitsvertrages 2009 hieß es zur seit 2009 durch den Kläger für diesen Betrieb ausgeübten Tätigkeit ausdrücklich:
”Herr B… wird als technischer Innendienstmitarbeiter eingestellt. Die Arbeitsaufgabe besteht in der Betreuung der im Unternehmen als auch angegliederten Betrieben vorhandenen Fahrzeuge als auch der Übernahme der anfallenden Innendiensttätigkeiten bis zur Abrechnung der Taxifahrer. […] Darüber hinaus wird Herr B… auch als Taxifahrer eingesetzt. […]”
In § 5 des Arbeitsvertrages 2009 hieß es ausdrücklich:
”Die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit beträgt 26 Tage im Monat bei 9 Stunden täglich. Die Lohnfortzahlung für den Urlaub ermittelt sich nach dem durchschnittlichen Verdienst der letzten 3 Monate. Der Arbeitnehmer wird als festangestellter Beschäftigter eingestellt. […]”
Am 21.10.2014 schloss der Kläger einen weiteren Arbeitsvertrag mit demselben Herrn D… zur unbefristeten „geringfügigen Beschäftigung” bei seinem anderen, unter „E…” firmierenden Betrieb (nachfolgend: Arbeitsvertrag 2014). Laut Website des Betriebs (letzter Abruf durch den Berichterstatter am 28.12.2022) gehörte es zum Geschäft von E…, „einen exklusiven Fahrdienst mit Chauffeur innerhalb Berlins und Brandenburg” zu bieten. Laut Angaben auf der Website besaßen im Zeitpunkt des Seitenaufrufs alle eingesetzten Chauffeure Personenbeförderungsscheine.
In § 1 des Arbeitsvertrages 2014 hieß es zur Tätigkeit des Klägers ausdrücklich:
”Der Arbeitnehmer wird ab dem 01.11.2014 als Innendienstmitarbeiter (kaufmännisch auf Teilzeit für maximal 47 Std./Monat) beschäftigt. Eine Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses beim Hauptarbeitgeber ist grundsätzlich auszuschließen. Die Arbeitsaufgabe besteht in der Betreuung der Buchungsplattform für Agenturen (…, …, … etc.) als auch der Dienstplangestaltung der Chaffeure und Aufgaben in der Buchhaltung.”
In dessen § 3 hieß es zur Vergütung ausdrücklich:
”Die monatliche Bruttovergütung beträgt 450 EUR. Sondervergütungen wie Urlaubsgeld, Prämien etc. erfolgen nicht. […]”
Am 30.01.2015 wurde der bisherige Arbeitsvertrag 2009 durch einen neuen Arbeitsvertrag (nachfolgend: Arbeitsvertrag 2015) zwischen dem Kläger und dem unter der Firma C… auftretenden Herrn D… ersetzt.
In § 1 des Arbeitsvertrages 2015 hieß es zur Tätigkeit des Klägers ausdrücklich:
„(1) Der Arbeitnehmer wird ab dem 01.01.2015 unbefristet als Taxi- bzw. Mietwagenfahrer eingestellt. Die Arbeitsaufgabe besteht im Führen eines Taxis/Mietwagens im öffentlichen Straßenverkehr zur Beförderung von Personen und Sachen […] .
(2) […]
(3) Der Arbeitgeber ...