Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgelt für Verzicht auf Einwendungen gegen Bebauung eines angrenzenden Grundstücks als Einkünfte aus Leistungen
Leitsatz (redaktionell)
Der Verzicht auf die Wahrnehmung von Nachbarschaftsrechten (Widerspruch gegen die Bebauung des Nachbargrundstücks) führt auch dann zu Einkünften aus Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG, wenn der Verzicht zunächst im Rahmen eines dem Nachbarn unterbreiteten Kaufangebots erklärt wurde, der Nachbar aber das Angebot anschließend nicht angenommen und stattdessen ein unter dem vereinbarten Kaufpreis liegendes Entgelt gezahlt hat.
Normenkette
EStG 2002 § 22 Nr. 3
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger erwarb auf Grund eines notariellen Kaufvertrags vom 13. Oktober 1992 zusammen mit seiner verstorbenen Ehefrau ein ca. 584 m² großes unbebautes Teilstück des in der L.straße 15 in G. gelegenen Grundstücks. Der Kaufpreis belief sich auf DM 240.000,–. Der Kläger und seine Ehefrau bebauten das Grundstück mit einem Einfamilienhaus, das am 01. August 1994 fertiggestellt wurde. Die Herstellungskosten betrugen DM 320.183,25. Der Kläger und seine Ehefrau vermieteten das Einfamilienhaus ab 15. August 1994.
Das Grundstück L.straße 15 grenzt unmittelbar an das Nachbargrundstück L.straße 11, 13 und 13a an. Für dieses Grundstück beantragte die Gemeinnützige M. Baugenossenschaft e.G. – im Folgenden: GMB genannt – eine Baugenehmigung beim Landkreis …, die dieser am 18. Juli 2000 erteilte. Der Kläger erhob Widerspruch gegen die Baugenehmigung und begründete dies mit der Verletzung seiner Nachbarschaftsrechte. Darüber hinaus stellte er einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5, § 80 a Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – beim Verwaltungsgericht P.. Der Antrag war zum einen darauf gerichtet, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs anzuordnen, und sollte zum anderen einen einstweiligen Baustopp auf dem Nachbargrundstück bezwecken.
Im Rahmen eines Erörterungstermins vor dem Berichterstatter der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts P. kam es am 18. Januar 2001 zu einer gütlichen Einigung: Die GMB erklärte sich bereit, das Grundstück des Klägers in der L.straße 15 zu einem Kaufpreis von DM 880.000,– zu erwerben, wobei der Kaufpreis am 10. Januar 2003 fällig werden und der Nutzen- und Lastenwechsel am 30. April 2004 erfolgen sollte. Der Kläger verpflichtete sich im Gegenzug, keinen Baustopp mehr zu erwirken.
Am 27. Februar 2001 unterbreitete die GMB dem Kläger ein bis zum 10. Januar 2003 befristetes notarielles Kaufangebot, das inhaltlich dem Vorschlag aus dem Erörterungstermin entsprach. Insbesondere sollte sich der Kläger verpflichten, gegen die von der GMB ab Mitte 2003 in der L.straße 15 und 17 geplante Wohnhausbebauung weder im Bauantragsverfahren noch sonst nach ordnungsgemäß erteilter Baugenehmigung irgendwelche Einsprüche oder Beschwerden bei den zuständigen Behörden betreffend die Zulässigkeit der Bebauung einzulegen und auch auf seinen Sohn … und dessen Familie, den Mietern des Einfamilienhauses in der L.straße 15, entsprechend einzuwirken. Mit Beschluss vom 01. März 2001 stellte das Verwaltungsgericht P. daraufhin das Eilverfahren ein, nachdem der Kläger dies am 28. Februar 2001 zurückgenommen hatte.
Am 08. Juni 2002 trafen der Kläger und die GMB eine privatschriftliche Vereinbarung, nach der der Kläger „ausdrücklich und unwiderruflich auf Grund der schwierigen wirtschaftlichen und finanziellen Situation der GMB” auf die Annahme des Angebots vom 27. Februar 2001 verzichtete. Im Gegenzug entrichtete die GMB per Scheck einen Betrag von EUR 125.000,– an den Kläger „für den durch die angrenzenden Bebauungen entstandenen Wertverlust seines Grundstücks”. Mit der Erfüllung dieser Vereinbarung sollten alle tatsächlichen und möglichen Forderungen des Klägers gegenüber der GMB aus dem Angebot vom 27. Februar 2001 auf Abschluss eines Grundstückkaufvertrags sowie aus dem Verwaltungsgerichtsverfahren unwiderruflich und rechtsverbindlich erledigt sein.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2002 erklärte der Kläger keine Einnahmen aus dem o. g. Vorgang, fügte aber die Vereinbarung vom 08. Juni 2002 bei. Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass der Kläger auf Grund der Vereinbarung vom 08. Juni 2002 sonstige Einkünfte im Sinne von § 22 Nr. 3 Einkommensteuergesetz – EStG – erzielt habe, und gewährte diesem rechtliches Gehör. Der Kläger war der Ansicht, dass es sich um einen veräußerungsähnlichen Vorgang gehandelt habe, der nicht steuerbar sei.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 12. November 2003 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf EUR …,– fest und legte dabei u. a. sonstige Einkünfte in Höhe von EUR 129.926,– zu Grunde, in denen neben sonstigen Einkünften aus Leibrenten in Höhe von EUR 4.926,– die hier streitige Zahlung von EUR 125.0...