Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlassung von Wohnraum an Asylbewerber als gewerbliche Betätigung 2. Längerfristige Wohnraumüberlassung an Asylbewerber umsatzsteuerfrei
Leitsatz (redaktionell)
- Die Überlassung von Wohnraum an Asylbewerber bei der das vereinbarte Entgelt, unabhängig von der Größe der überlassenen Räume, nach der Zahl der untergebrachten Personen und der Unterbringungstage bemessen wird, stellt eine über die Vermögensverwaltung hinausgehende gewerbliche Tätigkeit dar.
- Eine nach den tatsächlichen Umständen längerfristige Wohnraumüberlassung an Asylbewerber fällt unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2 S. 1; GewStG § 2 Abs. 1 S. 1; UStG § 4 Nr. 12
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten besteht Streit, ob die Kläger mit ihrem in der ... in Berlin ... betriebenen Wohnheim für Asylbewerberfamilien, deren Unterbringungskosten von verschiedenen Sozialämtern getragen werden, gewerbliche Einkünfte nach § 15 Einkommensteuergesetz - EStG - oder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG erzielen sowie darüber, ob die Kläger in diesem Zusammenhang von der Umsatzsteuer befreite Leistungen nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe a Umsatzsteuergesetz - UStG - erbracht haben.
Die Kläger sind Eigentümer des in ... Berlin ... belegenen Mietwohngrundstücks. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1991 erklärten sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 490.515,00 DM (Einnahmen 665.477,00 DM ./. Werbungskosten 174.962,00 DM), die den Klägern jeweils zu 50 % zugerechnet wurden. Die Mieteinnahmen behandelten die Kläger als umsatzsteuerfrei.
Im Rahmen einer Sachverhaltsaufklärung durch die betriebsnahe Veranlagung stellte der Beklagte fest, dass im Streitjahr ein Teil der Wohnungen (457,12 qm = 40,67 %) wie im Vorjahr in der üblichen Weise an Dauermieter vermietet wurden, die übrigen neun Wohnungen (666,73 qm = 59,33 %) jedoch nunmehr von Asylbewerberfamilien genutzt wurden. Diese Wohnungen waren mit Einrichtungsgegenständen (unter anderem Schränken, Etagenbetten, Matratzen, Decken, Tischen, Gardinen, Bettwäsche, Küchenschränken, Kühlschränken, Waschmaschinen und Haushaltswaren) ausgestattet worden.
Dem Antrag der Kläger auf Zweckentfremdungserlaubnis hatte das Bezirksamt ... von Berlin, Wohnungsamt, durch Bescheid vom 2. Mai 1990 stattgegeben und die zweckfremde Nutzung als Wohnheim gestattet. Die Hausverwaltung für diese Wohnungen hatten die Kläger mit Vertrag vom 15. Mai 1991 der von ihnen gegründeten ... Immobilienvermietung GmbH übertragen, bei der sie - als einzige Arbeitnehmer - als Geschäftsführer tätig waren.
Für die Überlassung der Wohnungen an die Asylbewerber erhielten die Kläger von verschiedenen Bezirksämtern oder vom Landesamt für zentrale soziale Aufgaben ein Entgelt, dem die Anwendung eines Tagessatzes von durchschnittlich 30,00 DM pro Person auf die Anzahl der in einer Wohnung untergebrachten Familienangehörigen zugrunde lag und in Kostenübernahme Bestätigungen für die Dauer eines Monats von den Sozialämtern im Voraus festgesetzt wurde. In den Kostenübernahmescheinen wurde stets darauf hingewiesen, dass insoweit kein Vertragsverhältnis zwischen den Klägern und dem Land Berlin begründet werde. Die Kläger wurden ferner aufgefordert, einen vorzeitigen Auszug der Nutzer unverzüglich mitzuteilen. Schriftliche Mietverträge mit den Asylbewerbern gab es nicht.
Die im Streitjahr aufgenommenen neuen Asylbewerberfamilien, denen zwischen vier und neun Personen angehörten, wohnten im Durchschnitt tatsächlich rund fünf Jahre in dem Wohnheim. Die geringste Verweildauer betrug drei Jahre und acht Monate.
Der Beklagte gelangte aufgrund seiner Feststellungen zu der Auffassung, dass die Überlassung der Wohnungen an die Asylbewerber einen Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 EStG und § 2 Gewerbesteuergesetz - GewStG - darstelle und mangels Anwendbarkeit von § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe a UStG umsatzsteuerpflichtig sei. Nach Mitteilung dieser Rechtsauffassung übermittelte der Steuerberater zur Vermeidung von Schätzungen nicht unterschriebene Steuererklärungen zur Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für 1991 unter Beifügung von Bilanzen zum 1. Januar 1991 und 31. Dezember 1991 sowie einer Gewinn- und Verlustrechnung vom 1. Januar bis 31. Dezember 1991. Durch Bescheid des Beklagten vom 5. Oktober 1994 wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb - erklärungsgemäß gesondert und einheitlich in Höhe von insgesamt 351.726,00 DM festgestellt. Durch weitere Bescheide ebenfalls vom 5. Oktober 1994 setzte der Beklagte die Gewerbesteuer mit 32.200,00 DM und die Umsatzsteuer mit 66.001,00 DM - erklärungsgemäß - fest.
Die hiergegen fristgerecht erhobenen Einsprüche wurden im Wesentlichen damit begründet, dass gegenüber den Asylbewerbern keinerlei zu der Überlassung von möblierten Wohnungen hinzutretende Nebenleistungen erbracht würden. Die Verwaltertätigkeit der ... Immobilien Vermietung GmbH zugunsten der Asylbewerber unterscheide sich nicht von der Tätigkeit für die übrigen Mieter. Im ...