Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung der ohne Rechtsgrundlage angemeldeten und abgeführten Getreide-Mitverantwortungsabgabe innerhalb der zeitlichen Grenzen der Zahlungsverjährung. Erstattung von Getreide-Mitverantwortungsabgabe für den Zeitraum vom 01. Juli 1990 bis 02. Oktober 1990

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Erhebung der Getreide-Mitverantwortungsabgabe in der ehemaligen DDR für Getreidelieferungen vor dem 3.10.1990 war rechtswidrig, weil keine Rechtsgrundlage dafür vorhanden war.

2. Eine in Unkenntnis dieser Rechtslage abgegebene „Anmeldung” der selbstberechneten Getreide-Mitverantwortungsabgabe für Getreidelieferungen in den Beitrittsländern vor dem 3.10.1990 stellt keine wirksame Steueranmeldung i.S. von § 168 Abs. 1 S. 1 AO dar.

3. Es bestand keine Verpflichtung zur Abgabe der „Anmeldung”, so dass –sofern noch keine Zahlungsverjährung nach §§ 228 ff. AO eingetreten ist– ein Anspruch auf Erstattung der angemeldeten und abgeführten Abgabe besteht (gegen BFH-Urteil vom 29.10.2003 VII R 2/02, BStBl II 2003, 43)

 

Normenkette

GMVA; AO § 37 Abs. 2, §§ 125, 150 Abs. 1 S. 2, § 164 Abs. 3, §§ 168, 228

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.11.2004; Aktenzeichen VII R 3/04)

 

Tenor

Der ablehnende Bescheid vom 23. Oktober 1998 und die Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 1999 werden aufgehoben; das Hauptzollamt wird verpflichtet, der Klägerin Getreide-Mitverantwortungsabgabe in Höhe von 9.447,22 EUR (= 18.477,16 DM) zu erstatten; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten tragen die Klägerin zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu erstattenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Getreide-Mitverantwortungsabgabe – GMVA – in Höhe von insgesamt 46.183,28 EUR (= 90.326,64 DM).

Die GMVA betrifft den Zeitraum vom 01. Juli bis zum 02. Oktober 1990. Sie war ganz überwiegend von der Rechtsvorgängerin der Klägerin bzw. von Dritten in deren Namen und für deren Rechnung jeweils fristgemäß angemeldet und abgeführt worden. In Höhe eines Teilbetrages von 18.477,16 DM war die Anmeldung – als „Ergänzung” zu der von der Klägerin fristgemäß im Jahre 1991 getätigten Anmeldung – allerdings erst am 15. Januar 1993 durch die Klägerin vorgenommen worden; die Zahlung durch die Klägerin erfolgte insoweit durch Verrechnung mit Erstattungsansprüchen, die den … auf Grund einer im Jahre 1991 geleisteten Überzahlung von GMVA zustanden; die … hatten diese Erstattungsansprüche an die Klägerin abgetreten.

Mit Schreiben vom 10. Oktober 1997, welches beim Beklagten (HZA) am 15. Oktober 1997 einging, beantragte die Klägerin (unter anderem) die Erstattung der erwähnten GMVA; mit Bescheid vom 23. Oktober 1998 lehnte das HZA die Erstattung insoweit ab.

Zur Begründung der dagegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Da die GMVA für den vorliegend in Rede stehenden Zeitraum keine gesetzliche Grundlage gehabt habe, fehle es auch an entsprechenden Vorschriften über die Verjährung eines Erstattungsanspruchs; eine Verjährung des von ihr geltend gemachten Erstattungsanspruchs sei deswegen nicht eingetreten. Im Übrigen habe sie – die Klägerin – von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 04. Juli 1996 (VII R 32/95) erst durch die im Jahre 1997 erfolgte Veröffentlichung dieser Entscheidung Kenntnis nehmen können; das Stellen des Erstattungsantrags erst im Jahre 1997 sei deswegen unverschuldet. Zumindest aber sei eine Erstattung aus Billigkeitsgründen geboten.

Die Klägerin beantragt,

den Ablehnungsbescheid vom 23. Oktober 1998 und die Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 1999 aufzuheben und das Hauptzollamt zu verpflichten, Getreide-Mitverantwortungsabgabe in Höhe von 46.183,28 EUR (= 90.326,64 DM) zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das HZA steht auf dem Standpunkt, dass ein eventueller Erstattungsanspruch der Klägerin jedenfalls mit Ablauf des 31. Dezember 1996 verjährt sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in Höhe eines Teilbetrages von 9.447,22 EUR (= 18.477,16 DM) begründet; im Übrigen – d.h. in Höhe der restlichen 36.736,06 EUR (= 71.849,49 DM) – ist die Klage unbegründet. Im Einzelnen:

Die Erhebung der GMVA für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 2. Oktober 1990 war rechtswidrig, da eine wirksame gesetzliche Grundlage nicht bestand (BFH-Urteil vom 4. Juli 1996 VII R 32/95, BFH/NV 1997, 317).

In Höhe eines Teilbetrages von 18.477,16 DM hat die Klägerin einen Erstattungsanspruch, da sie insoweit GMVA gezahlt, ohne dass ein rechtlicher Grund bestand, und da insoweit Verjährung nicht eingetreten ist.

Insbesondere stellt die von der Klägerin am 15. Januar 1993 abgegebene „Anmeldung” der GMVA in Höhe von 18.477,16 DM keinen derartigen rechtlichen Grund dar. Denn die Anmeldung stellt keine wirksamen Abgabenfestsetzung...

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