Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe bei Kindergeldklage eines abgelehnten Asylbewerbers aus der Türkei; Prozesskostenhilfe; Kindergeld; Asylbewerber; Aufenthaltsbefugnis; Gleichheitssatz; Assoziationsabkommen EWG/Türkei; Pflichtversicherter Arbeitnehmer
Leitsatz (redaktionell)
Die auf Kindergeld gerichtete Klage eines abgelehnten türkischen Asylbewerbers, der im Inland sozialversicherungspflichtig tätig gewesen ist, bietet ungeachtet der ihm lediglich erteilten Aufenthaltsbefugnis hinreichende Erfolgsaussicht für die Gewährung von Prozesskostenhilfe, da in der gesetzlichen Anknüpfung an den Besitz eines qualifizierten Aufenthaltstitels eine willkürliche Ungleichbehandlung liegen und ihm auch unabhängig von der Qualität seines Aufenthaltsrechts aufgrund des Assoziationsabkommens EWG/Türkei als Wanderarbeitnehmer ein Anspruch auf Familienleistungen zustehen könnte.
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1; EStG § 62 Abs. 2 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1; Zusatzprotokoll EWGAbk TUR Art. 39; EWGAssRBes 3/80 Art. 1 Buchst. b, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1
Tatbestand
I.
Der Antragsteller ist türkischer Staatsbürger und hält sich mit seiner türkischen Ehefrau seit Jahren im Bundesgebiet auf. Nach eigenen Angaben reiste er -wohl zusammen mit seiner Ehefrau- 1989 als Asylbewerber in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach erfolglosem Asylverfahren erhielt er aufgrund der sogenannten Altfall-Regelung am 27. Juni 1997 eine zunächst auf zwei Jahre befristete Aufenthaltsbefugnis, die später für weitere zwei Jahre (bis 28. Juni 2001) verlängert wurde. Seine Ehefrau und die beiden haushaltsangehörigen Kinder ...(geboren 1991) und ...(geboren 1994), die seit ihrer Geburt in Deutschland leben, sind ebenfalls im Besitz von Aufenthaltsbefugnissen.
Im März 1998 beantragte der Antragsteller beim Arbeitsamt ...-Familienkasse- Kindergeld für seine beiden Kinder. Dies geschah auf Betreiben der Stadt ..., die dem Antragsteller Sozialhilfe gewährte. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab.
Am 13. Oktober 1999 beantragte der Antragsteller bei der Familienkasse erneut die Gewährung von Kindergeld. Die Familienkasse lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. November 1999 ab und setzte das Kindergeld auf 0 DM fest. Zur Begründung gab sie an, der Antragsteller sei weder -wie es § 62 Einkommensteuergesetz (EStG) erfordere- im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung noch sei er anerkannter Flüchtling oder Asylberechtigter. Damit stehe ihm kein Kindergeld zu.
Hiergegen erhob der Antragsteller Einspruch. Er trug vor, nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes – EuGH - vom 4. Mai 1999 in der Rechtssache C - 262/96 (Sürül) habe er als in Deutschland lebender türkischer Staatsbürger Anspruch auf Kindergeld. Wie der EuGH entschieden habe, sei Artikel 3 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 - ARB 3/80 - unmittelbar geltendes Recht, das den jeweiligen Begünstigten einen von den nationalen Gerichten zu beachtenden Anspruch gewähre. Hiernach stehe türkischen Arbeitnehmern, die sich in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union -EU- (hier Deutschland) aufhielten, Kindergeld in gleicher Weise zu wie Inländern, und zwar unabhängig von der Art ihres Aufenthaltstitels.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Familienkasse vertrat die Auffassung, nach geltendem Recht stehe dem Antragsteller kein Kindergeldanspruch zu. Inwieweit der ARB 3/80 auch auf solche türkische Staatsangehörige anwendbar sei, die nicht als (Wander-) Arbeitnehmer oder deren Familienangehörige rechtmäßig in einen Mitgliedstaat der EU eingereist seien, sondern -wie vorliegend- als Flüchtlinge, sei Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens des Bundessozialgerichts – BSG - an den EuGH. Bis zur endgültigen Klärung halte die Kindergeldverwaltung daran fest, dass türkischen Staatsbürgern, die als Asylbewerber und nicht als Arbeitnehmer nach Deutschland gekommen seien, nur Kindergeld zustehe, wenn sie im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder - erlaubnis seien.
Hiergegen hat der Antragsteller Klage erhoben. Er trägt ergänzend vor, er habe die Aufenthaltsbefugnis “wegen seines langjährigen Aufenthalts und erfüllter Integrationsleistungen (u. a. Erwerbstätigkeit)” erhalten. Damit besitze er sogar einen stärkeren Aufenthaltstitel als der in der Rechtssache Sürül obsiegende Kläger, der nur eine Aufenthaltsbewilligung (für die Zeit seines Studiums in Deutschland) gehabt habe. Er (der Antragsteller) habe bis März 2000 insgesamt fast drei Jahre lang gearbeitet. Seitdem sei er arbeitslos und beziehe Arbeitslosengeld; ergänzend erhalte er Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Sein Kindergeldanspruch beruhe auf der unmittelbaren Anwendung des Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80.
Zugleich beantragt der Antragsteller,
ihm für das Klageverfahren unter Beiordnung des Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe – PKH - zu bewilligen.
Die Familienkasse hält die Klage für unbegründet. Sie meint, ein Kindergeldanspruch des Antragstellers lasse sich auch aus Art. 3...