Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung (Einkommensteuer 1995)
Tenor
Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides für 1995 vom 20.4.1999 wird bis einen Monat nach Bekanntgabe einer Entscheidung über den 10.3.1999 eingelegten Einspruch in voller Höhe ausgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Möglichkeit eines Spendenrücktrags gemäß § 10b des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus dem Jahr 1996 in das Jahr 1995 besteht.
Die Antragsteller, die unter anderem Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, leisteten im Jahr 1996 eine Spende i.H.v. 250.000 DM an … zugunsten der …. Es ist unstreitig, daß diese Zuwendung dem Grunde nach als Spende steuerlich berücksichtigungsfähig ist.
Mit Schreiben vom 19.11.1997 beantragten die Antragsteller, die Spende in Höhe eines Teilbetrages von 230.000 DM in das Jahr 1995 zurückzutragen und den Einkommensteuerbescheid für 1995 entsprechend zu ändern. Der gegen die Ablehnung dieses Antrags gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 11.2.1998 vertrat der Antragsgegner – das Finanzamt (FA) – die Ansicht, daß die in § 10b Abs. 1 Satz 3 EStG aufgestellten Voraussetzungen für den Spendenrücktrag nicht in vollem Umfang erfüllt seien.
Das hierauf angestrengte Klageverfahren (Az. 12 K 1634/98 E) erledigte sich in der Hauptsache, nachdem die Einkommensteuer für 1995 mit Bescheid vom 12.2.1999 wegen eines Verlustrücktrags aus 1997 i.H.v. 1.307.114 DM auf 0,– DM festgesetzt worden war.
Gegen den Bescheid vom 12.2.1999 legten die Antragsteller fristgerecht Einspruch ein. Ihrem Antrag, den Verlust aus 1997 nur i.H.v. 1.066.000 DM abzuziehen und ferner den Spendenrücktrag aus 1996 i.H.v. 230.000 DM vorzunehmen, wurde mit Einkommensteuerbescheid vom 20.4.1999 nur hinsichtlich des Verlustabzugs aus 1997 entsprochen. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden. Einen Antrag, die Vollziehung des Bescheides vom 20.4.1999 auszusetzen, hat das FA abgelehnt.
Die Antragsteller begehren nunmehr die Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht. Sie sind der Ansicht, daß das FA zu Unrecht die Tatbestandsmerkmale des § 10b Abs. 1 Satz 3 EStG nicht für erfüllt halte.
Die Antragsteller beantragen,
die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides vom 20.4.1999 in vollem Umfang auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das Rechtsvorbringen der Beteiligten ergibt sich aus den nachfolgend dargestellten Entscheidungsgründen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag hat Erfolg.
Der Antrag ist zulässig. Die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO ist erfüllt, denn das FA hat mit Schreiben vom 24.6.1999 eine Aussetzung der Vollziehung abgelehnt.
Der Antrag ist auch begründet. Es ist ernstlich zweifelhaft im Sinne des § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO, ob das FA den begehrten Spendenrücktrag zu Recht abgelehnt hat.
Nach § 10b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 EStG sind die ihrem Zweck nach in der Vorschrift näher beschriebenen Spenden im Veranlagungszeitraum der Zahlung wahlweise bis zu einem Höchstbetrag von 10 v.H. des Gesamtbetrags der Einkünfte (GdE) oder bis zu 2 v.T. der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter als Sonderausgaben abzugsfähig. Die zweite Alternative der Höchstbetragsberechnung soll nach der gesetzgeberischen Intention dem Umstand Rechnung tragen, daß ein unternehmerisch tätiger Steuerpflichtiger während des laufenden Wirtschaftsjahres Schwierigkeiten haben kann, die Höhe des erwarteten Gewinns abzuschätzen. Ferner soll eine gewisse Stetigkeit im Spendenverhalten auch bei schlechter Ertragslage ermöglicht werden (Kirchhof in: Kirchhof/Söhn, Komm. z. EStG, § 10b Anm. A 385, B 631). Da der Gesamtbetrag der Einkünfte der Antragsteller im Jahr 1996 negativ war, kam für sie faktisch nur die Höchstbetragsberechnung nach der 2. Alternative in Betracht. Nach der Berechnung des Finanzamtes, die auch die Antragsteller nicht in Zweifel ziehen, beläuft sich der Spendenhöchstbetrag danach auf 277.771 DM.
Nach näherer Maßgabe des § 10b Abs. 1 Satz 3 EStG ist ein Spendenrücktrag oder -vortrag vorzunehmen, sofern eine Einzelzuwendung von mindestens 50.000 DM „diese Höchstsätze” überschreitet. Das Finanzamt folgert daraus, daß der von den Antragstellern begehrte Spendenabzug nicht gewährt werden kann, weil die Spende zwar mehr als 10 v.H. des GdE beträgt, nicht jedoch mehr als 2 v.T. der gesamten Umsätze etc.
Dieser Ansicht folgt der Senat nicht. Nach summarischer Prüfung dürfte die Formulierung „diese Höchstsätze” nicht zu der Annahme zwingen, die Möglichkeit des Spendenrücktrags sei nur dann eröffnet, wenn der Spendenbetrag sowohl 5 bzw. 10 v.H. des GdE als auch 2 v.T. der gesamten Umsätze etc. übersteigt (im Ergebnis ebenso Frotscher, Komm. z. EStG, § 10b Tz,. 59f).
a) Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Jost in … Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Komm. z. KStG, § 9 Tz. 97) hält der Senat die Wortwahl des Gesetzes nicht für eindeutig....