Entscheidungsstichwort (Thema)
gesonderter Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen
Tenor
Der Feststellungsbescheid vom … März 1996 und die Einspruchsentscheidung vom … Juli 1996 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Tatbestand
Streitig sind die Rechtzeitigkeit eines Einspruchs sowie die Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen.
Der Kläger hatte am. September 1995 ein Darlehen bei der X-Bank. i.H.v. 80.000 DM aufgenommen. Zweck dieses Darlehens war die Tilgung eines Darlehens bei der Y-Bank.
Dieses Darlehen wiederum wurde aufgenommen, um einen Teil zweier Berlindarlehen zu finanzieren. Zur Absicherung des Darlehens bei der X-Bank dient ein Lebensversicherungsvertrag bei der L-Versicherung.
Am … März 1996 erließ der Beklagte einen Bescheid, in dem er die Einkommensteuerpflicht der Zinsen aus dem Lebensversicherungsvertrag feststellte. Der Bescheid wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde am. März 1996 der Ehefrau des Klägers in Form einer Ersatzzustellung übergeben.
Am … April 1996 teilte der Kläger dem Beklagten mit, die Lebensversicherung diene allein der Absicherung der Berlindarlehen und sei damit nicht steuerschädlich eingesetzt. Der Beklagte wertete das Schreiben als Einspruch, der aber um einen Tag verspätet eingelegt worden sei. Der Kläger trug daraufhin vor, der Feststellungsbescheid sei ihm nicht zugestellt worden. Er selbst sei am … März 1996 im … – Raum geschäftlich unterwegs gewesen. Seine Ehefrau sei von 10.00 Uhr an im Geschäft gewesen; auch vorher habe sie keinen Bescheid erhalten. Der Beklagte verwarf den Einspruch als unzulässig. Die Postzustellungsurkunde beweise als öffentliche Urkunde die wirksame Zustellung des Bescheides.
Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und ergänzt seinen Vortrag wie folgt: Er habe von dem streitigen Bescheid erst Kenntnis erlangt, als ihm das Gericht am … Mai 1997 eine Ablichtung übersandt habe. Das Gericht möge dazu seine Mitarbeiterin, seine Ehefrau und den Postzusteller als Zeugen vernehmen. Im übrigen sei der Feststellungsbescheid auch rechtswidrig. Einer Steuerpflicht der Zinsen stehe die sog. Altfallregelung entgegen. Die Verträge über die beiden Berlindarlehen sowie die sie absichernde Lebensversicherung seien bereits 1982 geschlossen worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Feststellungsbescheid und die Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält weiterhin den Einspruch für verspätet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Feststellungsbescheid ist bislang nicht wirksam bekanntgegeben worden.
Als Verwaltungsakt wird ein Steuerbescheid in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, bekanntgegeben wird (§ 124 Abs. 1 der Abgabenordnung -AO-). Diese Bekanntgabe kann im Streitfall nicht festgestellt werden.
Der Beklagte hatte für die Bekanntgabe den Weg der Übermittlung durch die Post gewählt. Es galten daher die hierfür getroffenen Regeln des § 122 Abs. 2 ff. AO. Die Zustellung schriftlicher Verwaltungsakte ist nach § 122 Abs. 5 AO in den Fällen, in denen – wie hier – die förmliche Zustellung nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, nur zulässig, wenn sie „behördlich angeordnet wird”. An einer solchen Anordnung fehlt es im Streitfall.
Die Steuerakten, insbesondere der Verfügungsteil auf S. 1 der Zweitschrift des Bescheides, lassen keinerlei Willensbildung über die vorzunehmende förmliche Postzustellung erkennen. Eine schriftliche Dokumentation dieser Willensbildung ist nicht etwa entbehrlich. Zwar handelt es sich bei der Anordnung der Zustellung nicht um einen Verwaltungsakt, weil der Anordnung als solcher keine Außenwirkung zukommt. Die Anordnung der Zustellung stellt aber eine der behördeninternen Willensentscheidungen bei der Entstehung des Steuerverwaltungsaktes dar, die ebenso wie der Veranlagungswille selbst in der Akte niederzulegen und zu unterschreiben ist (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 118 Tz. 17 b). Dies muß schon deshalb gelten, weil die Entscheidung über die förmliche Zustellung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen ist und nach § 102 Finanzgerichtsordnung -FGO- gerichtlicher Überprüfung unterliegt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25. Januar 1994 VIII R 45/92, Bundessteuerblatt II 1994, 603, 604).
Der Dokumentationspflicht ist nicht schon dadurch Genüge getan, daß ein Behördenbediensteter des Beklagten das Formular der Zustellungsurkunde in den Adreßfeldern tatsächlich beschriftet hat. Abgesehen davon, daß das Benutzen der Zustellungsurkunde die Anordnung überhaupt voraussetzt, ist nicht erkennbar, daß die Benutzung der Urkunde durch behördliche Anordnung gedeckt ist.
Der Bescheid ist dem Kläger auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt formlos bekanntgegeben worden. Insbesondere ist die Bekanntgabe nicht durch die Übersendung einer Kopie an den Kläger durch das Gericht erfolgt. De...