Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Prozesszinsen bei Steuerentlastung nach EU-Recht – Änderung eines bestandskräftigen Zinsbescheids – Anwendbarkeit des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO auf Zinsfestsetzungen zu einer Verbrauchsteuer
Leitsatz (redaktionell)
- Die einzelstaatlich geregelte Bestandskraft eines Bescheides über die Festsetzung von Prozesszinsen steht auch im Fall eines zugrunde liegenden unionsrechtlichen Steuerentlastungsanspruchs einer nach deren Eintritt beantragten Änderung des Zinsbescheids entgegen.
- Die Festsetzung von Zinsen zu einer Verbrauchsteuer unterliegt nicht den erleichterten Änderungsvoraussetzungen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.
Normenkette
AO § 172 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 2 Buchst. a, § 239 Abs. 1 S. 1, § 355 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin betreibt Motorenprüfstände. Die durch die Verbrennung von versteuertem Benzin erzeugte mechanische Energie wird unter Einsatz angeschlossener Generatoren (sog. Asynchronmaschinen) in Strom umgewandelt.
Die Klägerin beantragte beim beklagten Hauptzollamt, ihr für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2010 Energiesteuer für die Verwendung von nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) versteuertes Benzin für die Erzeugung von Strom nach § 49 EnergieStG zu vergüten. Am selben Tag beantragte sie für denselben Zeitraum, ihr weitere Energiesteuer für die Verwendung von nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 i.V.m. § 49 Abs. 2a EnergieStG versteuertes Benzin für die Erzeugung von Strom nach § 53 EnergieStG zu vergüten.
Das beklagte Hauptzollamt lehnte eine Vergütung der Energiesteuer ab.
Mit ihrem eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, ein Anspruch auf Vergütung ergebe sich für den fraglichen Zeitraum unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 2003/96/EG (EnergieStRL) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. EU Nr. L 283/51).
Das beklagte Hauptzollamt änderte den Bescheid, indem es die Vergütung der Energiesteuer nach den §§ 49 und 53 EnergieStG jeweils auf 0 € festsetzte. Mit Entscheidung vom 30. Januar 2015 wies es den Einspruch der Klägerin zurück.
Auf die alsdann von der Klägerin am 26. Februar 2015 erhobene Klage verpflichtete der erkennende Senat das beklagte Hauptzollamt mit Urteil vom 9. Dezember 2015 - 4 K 625/15 VE -, der Klägerin Energiesteuer für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2010 vergüten. Zur Begründung führte der Senat aus, der Anspruch der Klägerin auf Vergütung der Steuer ergebe sich aus Art. 14 Abs. 1 Buchstabe a EnergieStRL.
Demgemäß setzte das beklagte Hauptzollamt mit Bescheid vom 22. Januar 2016 für die Klägerin eine Steuerentlastung von Energiesteuer fest. Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tage setzte das beklagte Hauptzollamt zugunsten der Klägerin Prozesszinsen für den Zeitraum vom 26. Februar 2015 bis zum 25. Januar 2016 fest.
Die Klägerin beantragte am 14. März 2016 unter Bezugnahme auf den Zinsbescheid vom 22. Januar 2016 beim beklagten Hauptzollamt, die Zinsen auf den festgesetzten Steuerentlastungsbetrag bereits für den Zeitraum ab dem 1. August 2011 festzusetzen. Sie habe gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL einen Anspruch auf die von ihr begehrte Steuerentlastung gehabt. Nach dem Unionsrecht stehe ihr ein Zinsanspruch nicht nur für die Zeit des Beginns der Rechtshängigkeit des Entlastungsanspruchs in dem Verfahren bei dem Finanzgericht Düsseldorf zu.
Das beklagte Hauptzollamt lehnte eine Änderung des Zinsbescheids vom 22. Januar 2016 ab. Zur Begründung führte es aus: Der Zinsbescheid sei bestandskräftig geworden. Die Klägerin habe ihren Antrag auf Änderung des Zinsbescheids nicht vor Ablauf der Einspruchsfrist gestellt, wie dies nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a der Abgabenordnung (AO) erforderlich sei. Eine Änderung des Zinsbescheids nach § 173 AO komme nicht in Betracht, weil es sich bei dem mittlerweile ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. September 2015 VII R 32/14 (BFHE 251, 291) nicht um eine neue Tatsache handele.
Die Klägerin trug mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch vor: Ihr Anspruch auf Verzinsung des Entlastungsbetrags ergebe sich unmittelbar aus dem Unionsrecht. Deshalb stehe die Bestandskraft des Zinsbescheids vom 22. Januar 2016 ihrem Begehren nicht entgegen.
Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch zurück und führte aus: Selbst wenn der Klägerin nach dem Unionsrecht ein Anspruch auf Verzinsung des Steuerentlastungsbetrags für den Zeitraum vor Eintritt der Rechtshängigkeit der Klage zustehen würde, könne dieser Anspruch nur dann festgesetzt werden, wenn es nach einzelstaatlichem Recht eine Rechtsgrundlage für die Änderung des bestandskräftig gewordenen Zinsbescheids vom 22. Januar 2016 gebe. Der Antrag auf weitergehende Verzinsung sei erst nach Ablauf der Einspruchsfrist eingegangen. Diese Frist sei ...