Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansetzen des eingebrachten Betriebsvermögens mit einem höheren als dem erklärten Einbringungswert als rückwirkendes Ereignis
Leitsatz (redaktionell)
- Die nachträgliche Erstellung und Einreichung der die Einbringung einer Einzelpraxis in eine GbR erfassenden Eröffnungsbilanz der aufnehmenden Personengesellschaft bei dem zuständigen Finanzamt stellt ein die Änderung der Besteuerung des Veräußerungsgewinns des Einbringenden rechtfertigendes Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit dar, wenn hierin ein über dem erklärten Einbringungswert liegender Wert angesetzt wird.
- Das Wahlrecht im Sinne des § 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG wird ausschließlich durch die aufnehmende Personengesellschaft ausgeübt.
- Die Finanzverwaltung ist nicht verpflichtet, bei jeder Folgeänderung gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu überprüfen, zu prüfen, ob ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vorliegt.
Normenkette
UmwStG 1995 § 24 Abs. 3 S. 1; UmwStG § 24 Abs. 2 S. 1; EStG § 16 Abs. 2; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Streitjahr(e)
1998
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte den Einkommensteuerbescheid der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes für 1998 gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) ändern durfte, weil die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in die der Ehemann der Klägerin seine Arztpraxis eingebracht hatte, in ihrer Eröffnungsbilanz das eingebrachte Betriebsvermögen mit einem höheren als dem von der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann erklärten Einbringungswert angesetzt hat.
Der Ehemann der Klägerin war Röntgenarzt. Er wurde bis zu seinem Tod zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Mannes.
Mit Vertrag vom 22.10.1998 vereinbarte der Ehemann der Klägerin mit den Gesellschaftern der A-GbR (im Weiteren GbR), dass er unter Einbringung seiner bisherigen radiologischen und nuklearmedizinischen Einzelpraxis „mit Wirkung zum 15.12.1998” in die GbR eintrete. Die Vertragspartner „bewerteten die Einzelpraxis” des Ehemannes der Klägerin mit 25.000 DM für ihren immateriellen Wert und 100.000 DM für ihren materiellen Wert, insgesamt 125.000 DM. Dem Ehemann der Klägerin wurde als Gegenleistung eine Beteiligung i.H.v. 50/10.000stel eingeräumt. Der Ehemann der Klägerin „verzichtete zu Gunsten” der GbR auf die ab dem 15.12.1998 eingehenden und vor dem Einbringungszeitpunkt erwirtschafteten Honorare aus seiner privat- und vertragsärztlichen Tätigkeit. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die Vertragskopie in der Akte des Beklagten Bezug genommen.
Für die Zeit vom 01.01.1998 bis 15.12.1998 ermittelte der verstorbene Ehemann der Klägerin gem. § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) einen Gewinn aus seiner Röntgenarztpraxis i.H.v. 293.455,62 DM. Gemäß einer Schlussbilanz zum „31.12.1998” standen Aktiva i.H.v. 151.679,86 DM Passiva i.H.v. 255.074,48 DM gegenüber, sodass sich ein negatives Betriebsvermögen i.H.v. 103.394,62 DM ergab.
In ihrer Steuererklärung für 1998 erklärten die Klägerin und ihr Ehemann Einkünfte aus selbstständiger Arbeit des Klägers als Röntgenfacharzt i.H.v. 132.330 DM und einen Veräußerungsverlust i.H.v. 17.682 DM. Den laufenden Gewinn i.H.v. 132.329 DM ermittelten die Klägerin und ihr Ehemann auf Grund des Gewinns für die Zeit vom 01.01.1998 bis zum 15.12.1998 i.H.v. 293.455,62 DM, zu dem Forderungen lt. Schlussbilanz zum 15.12.1998 i.H.v. 93.809,81 DM und ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten lt. Schlussbilanz zum 15.12.1998 i.H.v. 138,98 DM addiert wurden und sonstige Verbindlichkeiten lt. Schlussbilanz zum 15.12.1998 i.H.v. 74.485,52 DM und Rentenverpflichtungen lt. Schlussbilanz zum 15.12.1998 i.H.v. 180.588,96 DM abgezogen wurden, sodass sich ein Gewinn für 1998 i.H.v. 132.329,93 DM ergab.
Den Veräußerungsverlust i.H.v. 17.682,41 DM ermittelten die Klägerin und ihr Ehemann wie folgt:
Einbringungswert der Praxis gem. Vertrag |
125.000,-- DM |
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Entnahme Pkw und sonstige Einrichtungsgegenstände |
19.100,-- DM |
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Insgesamt |
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144.100,-- DM |
abzügl. |
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BW Praxiseinrichtung lt. Schlussbilanz.| |
49.455,00 DM |
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BW Kfz |
1,00 DM |
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BW GWG |
2,00 DM |
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BW Praxiswert |
1,00 DM |
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Forderungen lt. Schlussbilanz |
93.809,81 DM |
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Insgesamt |
143.268,81 DM |
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abzügl. |
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Kosten der Veräußerung i.H.v.| |
13.920,-- DM |
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und |
4.593,60 DM |
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Insgesamt |
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161.782,41 DM |
Der Beklagte setzte die Einkommensteuer der Klägerin und ihres mit ihr zusammen veranlagten Ehemannes durch Bescheid vom 03.07.2000 unter Berücksichtigung von Einkünften des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit i.H.v. 114.648 DM fest. Die Einkünfte i.H.v. 114.648 DM hatte der Beklagte dadurch ermittelt, dass er von dem erklärten Gewinn aus der Röntgenfacharztpraxis i.H.v. 132.330 DM den erklärten Veräußerungsverlust i.H.v. 17.682 DM abzog.
Mit Änderungsbescheiden vom 26.03.2001, 31.05.2001 und 21.03.2005 wurde die Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin und ihres mit ihr zusammen veranlagten Ehemannes...