Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit der Vorschriften über die Grundsteuerbefreiung auch nach rückwirkender Aberkennung der Gemeinnützigkeit eines rechtsfähigen Vereins
Leitsatz (redaktionell)
- Einem der islamischen Religionsausübung dienenden Verein steht ohne eine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechtes (KöR) die Grundsteuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 GrStG nicht zu.
- Die weder auslegungs- noch analogiefähige Privilegierung der jüdischen Kultusgemeinden in Bezug auf die Anerkennung als KöR durch § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG ist als sachgerechte Differenzierung verfassungsgemäß.
- Die im Übrigen geltende Beschränkung steuerlicher Privilegierungen auf in der Rechtsform einer KöR verfasste Religionsgesellschaften würde nur dann den Gleichheitssatz verletzen, wenn es anderen Religionsgesellschaften in unzumutbarer Weise erschwert würde, diesen Status zu erlangen, obwohl sie die materiellen Voraussetzungen hierfür erfüllen. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte.
- Die Befreiung von der Grundsteuer kann auch durch Anfechtung des Einheitswertbescheides geltend gemacht werden, sofern die Finanzbehörde nicht ausdrücklich die Entscheidung über grundsteuerrechtliche Fragen dem Steuermessbetragsverfahren vorbehalten hat
- Verschweigen die Verantwortlichen eines Vereins die zur rückwirkenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit führenden Tatsachen gegenüber den für die Körperschaftsteuer und die Einheitswertfeststellung zuständigen Finanzämtern und erlangen dadurch die nicht gerechtfertigte Befreiung von der Grundsteuer, verwirklichen sie den Tatbestand der Steuerhinterziehung mit der Folge, dass die Feststellungsfrist für die der Grundsteuerfestsetzung vorausgehende Einheitsbewertung 10 Jahre beträgt.
- Es reicht für den subjektiven Tatbestand des § 370 AO aus, wenn die Tatsachen, die auch aus der Sicht des Laien zumindest Zweifel an den Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit aufkommen lassen, der zuständigen Finanzbehörde bewusst nicht zur Prüfung der Rechtslage offenbart werden.
Normenkette
GrStG § 3 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, 3 S. 1, Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 5 S. 2; AO § 63 Abs. 3, § 169 Abs. 2 S. 2, § 181 Abs. 1, § 184 Abs. 1, § 370 Abs. 1
Streitjahr(e)
1998, 1999
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein, der den in Deutschland lebenden oder sich in Deutschland aufhaltenden Menschen islamischen Glaubens die Möglichkeit zu ihrer Religionsausübung gibt.
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Der Kläger erwarb mit notariell beurkundeten Kaufvertrag Ende der neunziger Jahre das bis dahin als Geschäftsgrundstück bewertete Grundstück…in... . Der Beklagte erließ am 20. November 1998 einen Einheitswertbescheid, Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Januar 1999, in dem er den Einheitswert weiterhin auf…DM feststellte und dem Kläger zurechnete. Mit Schreiben vom 26. November 1998 wandte sich der Kläger gegen diesen Bescheid und wies darauf hin, dass er als gemeinnützig anerkannt sei und deshalb von der Grunderwerbsteuer befreit sei.
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Der Beklagte erließ am 7. Mai 1999 einen Einheitswertbescheid, Wert- und Artfortschreibung auf den 1. Januar 1999, in dem er das Grundstück als gemischt genutztes Grundstück mit überwiegend gewerblichem Anteil bewertete und den Einheitswert mit... DM feststellte. Dabei wurde nur der Teil der Räumlichkeiten bewertet, der nicht wegen der Gemeinnützigkeit der Grundsteuerbefreiung unterlag.
Mit einer Kontrollmitteilung vom 27. Oktober 2006 setzte das Finanzamt…den Beklagten davon in Kenntnis, dass dem Kläger auf Grund der Ergebnisse einer Betriebsprüfung/Fahndungsprüfung die Gemeinnützigkeit rückwirkend ab 1997 aberkannt worden sei. Die Tatsachen, die zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit geführt haben, sind zwischen den Beteiligten unstreitig.
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Der Beklagte erließ am 12. Dezember 2006 einen gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einheitswertbescheid, Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1999, in dem er den Einheitswert auf…EUR (... DM) heraufsetzte. In die Berechnung bezog er auch die für kulturelle Zwecke genutzten Räumlichkeiten mit ein. Wegen der Berechnung der Einheitswerte wird auf die Anlagen zum Bescheid Bezug genommen.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat der Kläger Klage erhoben und trägt vor:
Der angefochtene Einheitswertbescheid hätte nicht erlassen werden dürfen, weil beim Erlass dieses Bescheids bereits Feststellungsverjährung eingetreten gewesen sei. Die regelmäßige Feststellungsfrist betrage vier Jahre und sei im Zeitpunkt des Erlasses bereits abgelaufen gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass hinsichtlich der Grundsteuer eine Steuerhinterziehung begangen worden sei und die Feststellungsfrist deshalb zehn Jahre betrage, lägen nicht vor. Aus der Kontrollmitteilung des für die Körperschaftsteuer zuständigen Finanzamtes…könne nur entnommen werden, dass ihm, dem Kläger, rückwirkend ab 1997 die Gemeinnützigkeit aberkannt worden sei. Eine Grundsteuerhinterziehun...