Entscheidungsstichwort (Thema)
Billigkeitserlass der Erbschaftsteuer bei Bekanntwerden von Steuerschulden nach Ablauf der Festsetzungsfrist
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Bekanntwerden von Steuerschulden des Erblassers nach Ablauf der Festsetzungsfrist rechtfertigt mangels offensichtlicher und eindeutiger Unrichtigkeit der Steuerfestsetzung nicht den Erlass der hierauf entfallenden Erbschaftsteuer, wenn der Finanzbehörde im Zeitpunkt der Festsetzung der Steuer die Steuerschulden des Erblassers weder bekannt waren noch hätten bekannt sein müssen.
2. Die Fehlerhaftigkeit einer Steuerfestsetzung kann nur bei Vorliegen eines zwar nicht notwendig schuldhaften, aber doch gravierenden Fehlverhaltens der Finanzbehörde offensichtlich sein und daher eine Billigkeitsmaßnahme gebieten.
Normenkette
AO § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, §§ 170, 227; ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 1
Streitjahr(e)
1995
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist der Enkelsohn der im April 1995 verstorbenen Erblasserin, die er ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts A vom Mai 1995 allein beerbt hat. Der von der Erblasserin ernannte Testamentsvollstrecker gab am 4. Dezember 1995 eine Erbschaftsteuererklärung ab, in der er als Nachlassgegenstände unter anderem Kapitalforderungen gegenüber Kreditinstituten von 47.679 DM und Bargeld von 1.628.477 DM angab. Das beklagte Finanzamt setzte erstmals mit Bescheid vom 12. Dezember 1995 gegen den Kläger unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Erbschaftsteuer fest. Mit Bescheid vom 1. Oktober 1999 änderte es letztmalig die Festsetzung der Erbschaftsteuer und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Im April 2000 begann das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B mit Ermittlungen, weil der Verdacht bestand, dass die Erblasserin Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht erklärt hatte. Auf Grund eines Berichts des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B vom 8. Mai 2001 ergingen Bescheide des beklagten Finanzamts vom 31. August 2001, mit denen für die Jahre 1989 bis 1995 in der Person der Erblasserin entstandene Einkommensteuer, Kirchensteuer, Solidaritätszuschläge und Zinsen zur Einkommensteuer nachgefordert wurden. Der Kläger beantragte am 10. Oktober 2001, den Erbschaftsteuerbescheid vom 1. Oktober 1999 dahin zu ändern, dass Steuerschulden von insgesamt 453.058,13 DM erwerbsmindernd berücksichtigt werden. Dies lehnte das beklagte Finanzamt mit Bescheid vom 8. November 2001 unter Hinweis auf die zwischenzeitlich abgelaufene Festsetzungsfrist ab. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen diese Entscheidung erhobene Klage 4 K 4159/02 Erb hat der Kläger zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 10. Juni 2002 beantragte der Kläger, die Erbschaftsteuer zu erlassen, soweit sie auf bislang nicht berücksichtigte Steuerschulden der Erblasserin von 453.058,13 DM entfällt. Er machte geltend, die Höhe der Steuerschulden sei keinem der Beteiligten vor Ablauf der Festsetzungsfrist bekannt gewesen. Andererseits sei das Kapitalvermögen, das zu den Steuerschulden geführt habe, der Erbschaftsteuer unterworfen worden. Eine Nichtberücksichtigung der Steuerschulden würde gegen das die Erbschaftsteuer tragende Bereicherungsprinzip verstoßen.
Das beklagte Finanzamt lehnte einen Erlass mit Bescheid vom 4. Juli 2002 ab und führte aus, das Billigkeitsverfahren könne keinen Ersatz für ein erfolgloses, gegen die Festsetzung der Erbschaftsteuer gerichtetes Rechtsbehelfsverfahren sein.
Den gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch wies das beklagte Finanzamt mit Entscheidung vom 13. November 2002 zurück und führte aus: Eine bestandskräftige Steuerfestsetzung könne nur ausnahmsweise in einem Billigkeitsverfahren überprüft werden, wenn die Festsetzung der Steuer offensichtlich und eindeutig fehlerhaft sei und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sei, sich gegen die Fehlerhaftigkeit zu wehren. Dies sei hier nicht der Fall. Der Kläger habe gegen den eine Änderung der Steuerfestsetzung ablehnenden Bescheid nach erfolglosem Einspruchsverfahren keine Klage erhoben.
Der Kläger hat am 6. Dezember 2002 Klage erhoben, mit der er vorträgt: Im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Erbschaftsteuerbescheids vom 1. Oktober 1999 seien weder ihm noch dem Testamentsvollstrecker die nicht erklärten Kapitalerträge der Erblasserin bekannt gewesen. Im Streitfall bestehe zudem die Besonderheit, dass die Steuerschulden nicht auf Grund von Versäumnissen des Steuerpflichtigen unberücksichtigt geblieben seien.
Der Kläger beantragt,
1. das beklagte Finanzamt unter Aufhebung seines ablehnenden Bescheids vom 4. Juli 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. November 2002 zu verpflichten, die gegen ihn festgesetzte Erbschaftsteuer zu erstatten, soweit sie darauf entfällt, dass Einkommensteuerschulden von 453.058,13 DM nicht berücksichtigt worden sind;
2. hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
1. die Klage abzuwei...