Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch eines Ausländers mit Aufenthaltsbefugnis trotz dessen nur geringfügiger Beschäftigung und Inanspruchnahme weiterer Sozialleistungen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die einem abgelehnten Asylbewerber nach den §§ 30 Abs. 4, 55 Abs. 2 AuslG erteilte Aufenthaltsbefugnis entspricht einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG und unterfällt damit der rückwirkend anwendbaren Regelung des § 62 Abs. 2 Nr. 2 c EStG in der Fassung vom 13.12.2006.
  2. Bei Besitz einer derartigen Aufenthaltserlaubnis und dreijährigem rechtmäßigen Aufenthalt reicht ein sozialversicherungspflichtiges geringfügiges Beschäftigungsverhältnis zur Begründung eines Kindergeldanspruchs aufgrund berechtigter Erwerbstätigkeit (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 b EStG n. F.) aus.
  3. Dass der Kindergeldberechtigte aus der Entlohnung dieses geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses seinen Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme weiterer Sozialleistungen bestreiten kann, ist unschädlich.
 

Normenkette

EStG § 52 Abs. 61a S. 2, § 62 Abs. 2; AuslG § 30 Abs. 4, § 55 Abs. 2; AufenthG § 25 Abs. 5

 

Streitjahr(e)

2003, 2004

 

Tatbestand

Die Klägerin ist nach eigenen Angaben libanesische Staatsangehörige und will etwa Mitte Februar 1997 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sein. Sie beantragte am 25.02.1997 die Anerkennung als Asylberechtigte, die das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ( Bundesamt ) durch Bescheid vom 15.05.1997 ablehnte. Zugleich stellte das Bundesamt fest, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1, 53 Ausländergesetz ( AuslG ) nicht vorliegen, und forderte die Klägerin zur Ausreise auf. Ein hiergegen vor dem Verwaltungsgericht „A” geführtes Klageverfahren blieb erfolglos (rechtskräftig seit dem 21.05.1999).

Nachdem die Ausländerbehörde der Klägerin zunächst eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 63 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) und sodann eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) erteilt hatte, erteilte sie der Klägerin erstmals am 18.10.1999 eine Aufenthaltsbefugnis, die sie am 12.06.2001 mit der Nebenbestimmung, dass eine arbeitserlaubnispflichtige Erwerbstätigkeit nur gemäß gültiger Arbeitserlaubnis gestattet sei, verlängerte.

Am 28.02.2003 erteilte das Arbeitsamt „B” der Klägerin eine unbefristete Arbeitsgenehmigung.

Seit dem 14.04.2003 arbeitete die Klägerin als Reinigungskraft in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis, das ausweislich der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Meldebescheinigung zur Sozialversicherung zumindest bis zum 31.12.2004 fortdauerte. Daneben erhielt sie ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß Sozialgesetzbuch II ( SGB II.).

Am 26.02.2004 beantragte die Klägerin für ihre drei Kinder „C”, geboren am 21.07.1985, „D”, geboren am 18.09.1989 und „E”, geboren am 23.11.1999, die Bewilligung von Kindergeld.

Mit Bescheid vom 01.03.2004 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis darauf, dass die Klägerin nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis gemäß § 15 AuslG oder einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 27 AuslG sei, ab.

Den hiergegen am 01.04.2004 erhobenen Einspruch wies die Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 09.09.2004 mit der Begründung zurück, dass die Klägerin nicht zu dem Personenkreis gehöre, der einen Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) habe.

Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage vertritt die Klägerin die Ansicht, dass sie die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG erfülle, weil sie vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge unanfechtbar als Asylberechtigte anerkannt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 01.03.2004 und die Einspruchsentscheidung vom

09.09.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ab April 2003 bis September 2004 für die drei Kinder der Klägerin Kindergeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Sie verweist darauf, dass die Klägerin lediglich im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis sei, die nach der seinerzeit gültigen Fassung des EStG nicht zum Bezug von Kindergeld berechtige. Bislang habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sie als Asylberechtigte unanfechtbar anerkannt worden sei.

Das Gericht hat die die Klägerin betreffende Kindergeldakte der Beklagten sowie die sie betreffenden Ausländerakten der Stadt „B” beigezogen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in dem tenorierten Umfang erfolgreich. Für die Zeit von April 2003 bis September 2004 liegen die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2915) vor. Insoweit ist der angefochtene Bescheid vom 01.03.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.09.2004 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Da aber aufgrund der bislang von der Beklagten vertretenen gegenteiligen Rechtsauffassung u...

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