Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung von Steuerbescheiden bei rückwirkendem Ereignis bereits vor Abgabe der Steuererklärung und Bestandskraft des Steuerbescheids vor Änderungsantrag
Leitsatz (redaktionell)
- Innerhalb der Grenzen der Festsetzungsverjährung ist ein bestandskräftiger Steuerbescheid bereits dann aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses zu ändern, wenn nach Ablauf des Veranlagungszeitraums Umstände eingetreten sind, die Einfluss auf einen bereits verwirklichten Besteuerungstatbestand haben.
- Dabei ist ohne Bedeutung, ob der Steuerpflichtige es sorgfaltswidrig unterlassen hat, auf diese Umstände vor Eintritt der Bestandskraft hinzuweisen.
Normenkette
AO § 175 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 17 Abs. 1; BGB § 775 Abs. 1 Nr. 1
Streitjahr(e)
1999
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger erstrebt die Änderung eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides mit dem Ziel der Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten auf eine GmbH-Beteiligung.
Die Kläger waren mit Geschäftsanteilen von 45% (Kläger) und 5% (Klägerin) Gesellschafter der „A” GmbH. Am 2.10.1997 verbürgte sich der Kläger, der damals zusammen mit dem in gleicher Höhe an der Gesellschaft beteiligten „B” Geschäftsführer der GmbH war, gegenüber der „C” Bank in Höhe von 250.000 DM für deren Forderungen gegen die GmbH. Darüber hinaus hatte der Kläger eine Forderung gegen die GmbH in Höhe von 173.677 DM.
Mit Vertrag vom 10.6.1999 verkaufte der Kläger seinen Gesellschaftsanteil zum Nennwert von 72.000 DM an die Klägerin. Die Bürgschaftsverpflichtung des Klägers blieb unverändert bestehen. Am 30.6.1999 legte der Kläger sein Amt als Geschäftsführer zum 31.12.1999 nieder.
Nachdem sich die wirtschaftliche Lage der GmbH Ende der 90er Jahre verschlechtert hatte, wurde der Kläger am 30.6.2000 von der „C” Bank aufgefordert, die Bürgschaftssumme zu zahlen. Am 31.10.2000 wurde Insolvenzantrag gestellt, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH wurde am 26.7.2001 eröffnet. Der Kläger zahlte am 28.11.2000 die Bürgschaftssumme einschließlich Nebenkosten im Gesamtbetrag von 252.151 DM.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung für 1999 machten die Kläger den Verlust der eingangs erwähnten Darlehensforderung bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb als Veräußerungsverlust geltend. Angaben zur Inanspruchnahme des Klägers aus der Bürgschaft machten sie nicht. Im Einkommensteuerbescheid vom 28.11.2001 berücksichtigte das Finanzamt im Zusammenhang mit den Darlehen des Klägers einen hier nicht mehr streitigen Verlust in Höhe von 143.553 DM. Nach übereinstimmender Ansicht der Beteiligten lag in dieser Höhe ein krisenbestimmtes Darlehen vor, von dem wegen eines Rangrücktritts gegenüber der „C” Bank klar gewesen sei, dass die GmbH die Forderung des Klägers nicht habe bedienen können.
Hinsichtlich der Bürgschaft teilte der Insolvenzverwalter dem Kläger mit Schreiben vom 12.12.2001 mit, dass es sich dabei um eine eigenkapitalersetzende Sicherheit gehandelt habe, die er nicht zur Insolvenztabelle anmelden könne, weil das Amtsgericht … nicht zur Anmeldung nachrangiger Forderungen aufgefordert habe. Eine Quote erhalte er daher nicht.
Der Kläger meint, dass erst mit diesem Schreiben erkennbar geworden sei, dass der Rückgriffsanspruch gegen die GmbH bereits im Jahr 1999 wertlos gewesen sei. Der Insolvenzbericht vom 4.9.2001 habe noch Anhaltspunkte für eine Quote enthalten.
Nach einem entsprechenden Hinweis im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2000 beantragte der Kläger mit Schreiben vom 11.2.2002 unter Hinweis auf das Schreiben des Insolvenzverwalters vom 12.12.2001 eine Änderung des Einkommensteuerbescheides für 1999 vom 28.11.2001 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Er sieht in dem genannten Schreiben des Insolvenzverwalters ein rückwirkendes Ereignis im Sinne dieser Vorschrift, weshalb die Bestandskraft des Bescheides der erstrebten Änderung nicht entgegenstehe.
Unter dem 5.3.2002 lehnte das Finanzamt den Änderungsantrag ab. Es verwies darauf, dass der Kläger bereits vor Bestandskraft des Bescheides die Bürgschaftssumme gezahlt und ausweislich seiner Geltendmachung des Darlehensausfalls selbst nicht mit Geld von der GmbH gerechnet habe. Überdies habe bereits die Zahlungsaufforderung der Bank für die Geltendmachung des Bürgschaftsverlustes ausgereicht.
Mit seinem Einspruch vom 15.3.2002 gegen die Ablehnung des Änderungsantrages machte der Kläger geltend, dass die Bürgschaft und das Darlehen entgegen der Ansicht des Finanzamts nicht gleich zu behandeln seien. Anders als bei dem Darlehen sei es ihm bei der Bürgschaft zunächst nämlich nicht aussichtslos erschienen, einen Teil des gezahlten Betrages zurückzuerlangen, da die Möglichkeit eines Regressanspruches gegen den Geschäftsführer bestanden habe.
Mit Einspruchsentscheidung vom 14.10.2002 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Es vertrat die Ansicht, dass es sich bei einem rückwirkenden Ereignis im Sinne ...