Entscheidungsstichwort (Thema)
Besorgnis der Befangenheit
Leitsatz (amtlich)
1. Ein gegenüber einer GmbH betriebenes Vollstreckungsverfahren ist kein vorausgegangenes Verwaltungsverfahren im Sinne von § 52 Abs. 2 FGO im Verhältnis zum Haftungsverfahren des Geschäftsführers.
2. Durch das rügelose Verhandeln im AdV-Verfahren wird der Beteiligte mit demselben Vorbringen im Hauptverfahren ausgeschlossen.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 2, § 52 Abs. 2; ZPO § 43
Tatbestand
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsteller für einbehaltene und nicht abgeführte Lohnsteuern und Nebenabgaben der in Insolvenz geratenen A GmbH (GmbH) als Haftender in Anspruch genommen werden darf. Der Antragsteller war in der Zeit von November 1999 bis August 2000 Geschäftsführer der GmbH.
Nach der Geschäftsverteilung des Senats ist Richterin am Finanzgericht ... B als Berichterstatterin zuständig für die Bearbeitung dieses Falles. Die Richterin war zuvor Beamtin im höheren Dienst der Finanzverwaltung und als solche bis Anfang Januar 2000 beim Beklagten insbesondere als Hauptsachgebietsleiterin für Vollstreckung tätig. In dieser Funktion war sie unter anderem auch zuständig für Entscheidungen über Ratenzahlungsvereinbarungen und Vollstrekkungsaufschub wegen Steuerschulden der GmbH. Die Verhandlungen wurden von einem Sachbearbeiter mit dem damaligen Prokuristen der GmbH, P, geführt. Es wurde ein Ratenzahlungsabkommen getroffen. Die damaligen Rückstände wurden mit einer Schlusszahlung im September 1999 getilgt.
Mit Schreiben vom 23.05.2005 beantragt der Prozessbevollmächtigte des Klägers, die Berichterstatterin gemäß § 51 Abs. 2 FGO vom Verfahren auszuschließen, weil ein gesetzlicher Ausschlussgrund vorliege. Die Berichterstatterin habe als Sachgebietsleiterin der Vollstreckung an einem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren im Sinne des Gesetzes mitgewirkt. Das Tatbestandsmerkmal "vorausgegangenes Verwaltungsverfahren" müsse weit ausgelegt werden und umfasse deshalb auch Vollstreckungshandlungen gegen die GmbH, für deren Steuerschulden der Kläger in Haftung genommen werde.
Außerdem sei es nicht auszuschließen, dass die Berichterstatterin aus ihrer damaligen Erfahrung mit der GmbH ihre jetzige Entscheidung gegenüber dem Kläger nicht mehr unvoreingenommen treffen könne.
Das Ablehnungsrecht sei auch nicht verbraucht. Zwar habe sich der Kläger im Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung rügelos in die Verhandlung mit der Berichterstatterin eingelassen, aber das Verfahren der Hauptsache sei ein anderes Verfahren als das vorhergehende Eilverfahren und müsse auch hinsichtlich der Besorgnis der Befangenheit selbständig behandelt werden.
Die Berichterstatterin hat am 24.05.05 eine dienstliche Äußerung abgegeben, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Der Beklagte hat sich nicht geäußert.
Dem Senat haben die für die GmbH geführten Vollstreckungsakten (2 Bände) vorgelegen.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag, die Berichterstatterin wegen Besorgnis der Befangenheit von der weiteren Befassung mit dem Verfahren auszuschließen, ist zulässig aber nicht begründet. Die Berichterstatterin ist weder gemäß § 51 Abs. 2 FGO von dem Verfahren ausgeschlossen, noch liegt ein Ausschließungsgrund gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO vor.
1. Die Berichterstatterin ist nicht gemäß § 51 Abs. 2 FGO von Gesetzes wegen von der Mitwirkung an dem Verfahren ausgeschlossen, denn sie hat nicht an einem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt. Ein Vollstrekkungsverfahren, das gegen eine GmbH betrieben wird, ist gegenüber der Inanspruchnahme des Geschäftsführers der GmbH kein vorausgegangenes Verwaltungsverfahren.
a) Nach § 51 Abs. 2 FGO ist von der Ausübung des Amtes als Richter ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat. § 51 Abs. 2 FGO ergänzt den in § 41 Nr.6 ZPO genannten Ausschließungsgrund (vgl. z.B. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts -BVerwG- vom 29. Januar 1965, VII C 84/62, Verwaltungs-Rechtsprechung -VerwRspr.- 17, 637). Es soll auch derjenige als Richter von der Entscheidung ausgeschlossen sein, dessen Mitwirken an der im Verwaltungsverfahren getroffenen Entscheidung zu der Befürchtung Anlass bietet, er habe sich in der Sache festgelegt und könne seine richterliche Entscheidung nicht mehr mit der gebotenen Objektivität treffen (Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 25. April 1978, VII R 7/78, BFHE 125, 33, BStBl II 1978, 401; vom 15. Juli 1987, X R 15/81, BFH/NV 1988, 446).
"Mitgewirkt" hat hiernach nicht nur derjenige Amtsträger, der unmittelbar die Entscheidung in dem eigentlichen Verwaltungsverfahren getroffen hat, das zu der gerichtlich zu überprüfenden Entscheidung geführt hat (vgl. zur Frage, welches Verwaltungsverfahren maßgeblich ist z.B. BFH-Urteil vom 25. Mai 1971, VII R 55/69, BFHE 102, 192, BStBl II 1971, 501; VerwRspr. 17, 637), sondern auch derjenige, dessen Sachbehandlung für dieses Verwaltungsverfahren von "finaler Verbindlichkeit" gewesen ist (vgl. BVerwG-Urteil vom 17. April 1975, V CB 4/74, Ba...