Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Spekulationsgewinnen in 1996
Leitsatz (amtlich)
Für das Streitjahr 1996 bleibt § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) EStG anwendbar.
Normenkette
EStG 1996 § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b; GG Art. 3
Tatbestand
Streitig ist der Ansatz von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften (Spekulationsgewinnen aus der Veräußerung von Wertpapieren).
Der Kläger zu 2. tätigte in dem Streitjahr 1996 durch den An- und Verkauf von Wertpapieren Spekulationsgeschäfte i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) EStG i. d. für das Streitjahr gültigen Fassung (EStG 1996) und erzielte hieraus einen Gewinn in Höhe von 4.590 DM. Der Beklagte besteuerte den Gewinn mit dem streitgegenständlichen --gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten-- Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 31.08.2000 als sonstige Einkunft gemäß § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b) EStG 1996.
Hiergegen erhoben die Kläger am 11.09.2000 (Eingang beim Beklagten) Einspruch und machten geltend, dass die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b) EStG 1996 verfassungswidrig sei, sodass es für die Erfassung des Spekulationsgewinns an einer Rechtsgrundlage fehle.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13.06.2005 zurück. Zwar habe das BVerfG die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b) EStG in der Fassung des Gesetzes vom 16. April 1997 (BGBl. I 1997, 821) für nichtig erklärt; dies gelte aber nicht für die Zeiträume vor 1997 (vgl. BVerfG-Urteil vom 09.03.2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56). Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b) EStG 1996 sei daher gemäß BMF-Schreiben vom 12.11.2004 (BStBl I 2004, 1026) weiterhin anzuwenden.
Die Kläger haben am 11.07.2005 (Eingang bei Gericht) Klage erhoben. Es sei auch für 1996 von einem gleichheitswidrigen Vollzugsdefizit im Bereich der Spekulationseinkünfte auszugehen. Dieses Defizit führe nach den Grundsätzen der Entscheidung des BVerfG vom 09.03.2004 (2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56) zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Besteuerungsnorm. Es bestehe insofern keine Veranlassung, dem Gesetzgeber, dem die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten bekannt gewesen seien, für die erforderlichen gesetzlichen Nachbesserungen eine über das Streitjahr hinausgehende Frist zuzubilligen.
Die Kläger beantragen, die Einspruchsentscheidung vom 13.06.2005 betreffend das Jahr 1996 und den Bescheid für 1996 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 31.08.2000 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Verfassungsrechtliche Zweifel an der Gültigkeit der Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 1b) EStG 1996 bestünden --wie bereits in der Einspruchsentscheidung ausgeführt-- nicht. Dem Gesetzgeber sei eine gewisse Übergangszeit --die auch das Streitjahr einschließe-- zur Neuregelung der Problematik zuzubilligen gewesen.
Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten erörtert. Auf die Sitzungsniederschrift vom 21.03.2007 wird Bezug genommen.
Dem Gericht lag die den Streitfall betreffende Einkommensteuerakte (Steuernummer...) vor.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Das Gericht hält die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b) EStG 1996 für verfassungsgemäß. Das Verfahren war deshalb nicht gemäß Art. 100 GG zur Einholung einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung auszusetzen, sondern vielmehr auf der Grundlage des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b) EStG 1996 zu entscheiden, mit der Folge, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
1. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b), Abs. 3 Satz 1 EStG 1996 bestimmt, dass Einkünfte aus Spekulationsgeschäften u. a. dann vorliegen, wenn ein Steuerpflichtiger Wertpapiere innerhalb der im Streitjahr geltenden Spekulationsfrist von sechs Monaten nach Anschaffung veräußert und aus der Veräußerung einen Überschuss des Veräußerungspreises über die Anschaffungskosten und die Werbungskosten erzielt. Damit erfasst § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b) EStG 1996 abweichend von dem sonst im Einkommensteuerrecht bestehenden Grundsatz, wonach Einkünfte aus der Veräußerung privater, d.h. nicht zu einem Betriebsvermögen gehörender Wirtschaftsgüter nicht steuerbar sind, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen der bezeichneten Art im Privatvermögen (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Juli 2002 IX R 62/99, BStBl II 2003, 74).
2. Für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 hat das BVerfG mit Urteil vom 09.03.2004 2 BvL 17/02 (BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56) entschieden, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b) EStG in der für diese Zeiträume gültigen Neufassung des Einkommensteuergesetzes vom 16.04.1997 (BGBl I 1997, 821) in Bezug auf Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren verfassungswidrig und nichtig ist. Der Vollzugsbefehl der Vorschrift sei in den Jahren 1997 und 1998 nicht gleichheitsgerecht umgesetzt worden. Dieses Vollzugsdefizit sei dem Gesetzgeber nach den Grundsätzen des Zinsurteils des BVerfG vom 27.06.1991 2 BvR 1493/89 (BVerfG...