Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufiger Rechtsschutz gegen Kontenpfändung, Corona-Soforthilfe
Leitsatz (redaktionell)
Im streitigen Fall wird durch die Pfändung des Girokonto-Guthabens, das durch den Billigkeitszuschuss in Form der Corona-Soforthilfe erhöht wurde, die Zweckbindung dieses Billigkeitszuschusses beeinträchtigt. Die Soforthilfe erfolgt ausschließlich zur Milderung der Notlagen des betroffenen Selbständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie. Sie dient insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen, die seit dem 1.3.2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind. Sie dient nicht der Befriedigung von Gläubigeransprüchen, die vor dem 1.3.2020 entstanden sind, sondern nur solchen, die seit dem 1.3.2020 im Zusammenhang mit der besagten Pandemie entstanden sind.
Normenkette
ZPO § 851 Abs. 1; AO § 258
Tatbestand
I.
Der Antragsteller begehrt im vorläufigen Rechtsschutz eine Kontenpfändung des Antragsgegners dergestalt einzuschränken, dass ihm eine auf seinem Pfändungsschutzkonto eingegangene Soforthilfe nach dem Soforthilfeprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen „NRW-Soforthilfe 2020”) gemäß § 53 Landeshaushaltsordnung i. V. m. dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinunternehmer und Soloselbständige” (im Folgenden: „Corona-Soforthilfe”) i.H.v. 9.000 € ausgezahlt werden kann.
Der Antragsteller beantragte am … März 2020 als selbständiger Unternehmer (Kurierdienstfahrer) bei der Bezirksregierung Köln eine Corona-Soforthilfe, die ihm mit Bescheid vom gleichen Tag als einmalige Pauschale gewährt und am 27. April 2020 auf sein als Pfändungsschutzkonto gemäß § 850k der Zivilprozessordnung (ZPO) geführtes Girokonto 1 bei der Sparkasse Z überwiesen wurde. Der Bewilligungsbescheid enthält u.a. die folgenden Ausführungen:
„[…]
2. Aufrechnungsverbot
Für die bewilligte Soforthilfe gilt ein direktes Verrechnungs- bzw. Aufrechnungsverbot mit bereits bestehenden Kreditlinien beim jeweiligen Kreditinstitut. Bei Überweisung der Soforthilfe darf es nicht zu einer zwangsläufigen Bedienung bereits bestehender Kontokorrentforderungen oder sonstiger Zins- und Tilgungsforderungen kommen. Die bewilligte Soforthilfe muss vollumfänglich zur Kompensation der unmittelbar durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe genutzt werden. Ihnen als Empfänger/-in obliegt die Entscheidung, welche Forderungen mit höchster Relevanz für die Existenzsicherung ausgestattet sind (bspw. Mietforderungen, Lieferantenforderungen) und daher vorrangig durch den Zuschuss bedient werden sollen.
3. Zweckbindung
Die Soforthilfe erfolgt ausschließlich zur Milderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens bzw. des Selbstständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie als Einmalzahlung für drei Monate. Die Soforthilfe dient insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen, die seit dem 01. März 2020 in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind. Nicht umfasst sind vor dem 01. März 2020 entstandene wirtschaftliche Schwierigkeiten bzw. Liquiditätsengpässe.
II. Nebenbestimmungen
Die Soforthilfe wird unter folgenden Nebenbestimmungen gewährt:
[…]
5.
Ich behalte mir im Einzelfall eine Prüfung der Verwendung der Soforthilfe vor.
In diesem Fall ist die Bewilligungsbehörde berechtigt, Bücher, Belege und sonstige Geschäftsunterlagen anzufordern sowie die Verwendung der Soforthilfe durch örtliche Erhebungen zu prüfen oder durch Beauftragte prüfen zu lassen. Sie haben die erforderlichen Unterlagen bereitzuhalten und die notwendigen Auskünfte zu erteilen. Die Bewilligungsbehörde, Ihr zuständiges Finanzamt, der Landesrechnungshof NRW sowie die nachgeordneten Behörden (vgl. § 91 LHO), der Bundesrechnungshof, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und die Europäische Kommission sind ebenfalls berechtigt, Prüfungen vorzunehmen.”
Die dem Antragsteller gegen die Sparkasse Z aus der vorgenannten Kontoverbindung zustehenden Ansprüche hatte der Antragsgegner bereits mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juli 2015 gemäß §§ 309, 314 der Abgabenordnung (AO) gepfändet und eingezogen. Der Pfändungsverfügung liegen rückständige Einkommensteuern der Jahre 2009 bis 2011 inkl. steuerlicher Nebenleistungen in Höhe von ca. 138.000 € zugrunde.
Ausweislich des Kontoauszugs 4/2020 hat die Sparkasse Z am 30. April 2020 von einem „separierten Betrag” einen Teilbetrag i.H.v. 806,40 € „wg. Freibetrag April” freigegeben, diesen Betrag auf dem Konto des Antragstellers gutgeschrieben und diesem mit Schreiben vom gleichen Tag hierzu mitgeteilt, dass ein Teilbetrag der Corona-Soforthilfe auf einem internen Konto separiert worden sei. Der Gesetzgeber habe keine spezialgesetzliche Regelung zur Unpfändbarkeit der Corona-Soforthilfen getroffen, so dass sie verpflichtet sei, die gesicherten Beträge an die Gläubiger auszuzahlen. Der Antragsteller habe die Möglichkeit, beim Antragsgegner einen Freigabebeschluss gemäß § 850k Abs. 4 ZPO zu beantragen, sofern es sich bei seinem Konto um ein Pfändungsschutzkonto handele. ...