rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtanrechnung ausländischer Körperschaftsteuerbeträge europarechtswidrig?
Leitsatz (redaktionell)
1) Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die in § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a.F. angelegte (mittelbare) Ungleichbehandlung von In- und Auslandsdividenden mit der in Art. 56 Abs. 1 EGV garantierten Kapitalverkehrsfreiheit zu vereinbaren ist.
2) Es spricht viel dafür, dass es sich bei § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG um einen in Art. 58 Abs. 3 EGV verbotenen willkürlichen Eingriff in die Freiheit des Kapitalverkehrs handelt, der nicht aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses geboten ist.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1, 1 Nrn. 1, 3, §§ 36, 36 Abs. 2, 2 Nr. 3; EGV Art. 56, 56 Abs. 1, Art. 58, 58 Abs. 1, 1 Buchst. a, Abs. 3; EStG § 20
Nachgehend
Tatbestand
I.
Die Kläger sind Erben nach dem am … verstorbenen A. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2000 beantragten sie die Anrechnung von 3/7 der vom Erblasser erzielten Dividendeneinnahmen aus niederländischen und dänischen Aktien aus den Jahren 1995 bis 1997 (Streitjahre) in Höhe von insgesamt 16 984,85 DM. Im einzelnen handelte es sich um folgende Dividenden:
Jahr |
Herkunft |
Dividende brutto (in ausl. Währung) |
Dividende brutto (DM) |
Anrechnungsbetrag (DM) |
|
|
|
|
|
1995 |
Niederlande |
16 734,72 hfl |
14 939,42 |
6 402,61 |
1996 |
dto. |
24 145,42 hfl |
21 548,10 |
9 234,90 |
1997 |
dto. |
2 443,84 hfl |
2 171,52 |
930,65 |
1995 |
Dänemark |
|
447,83 |
191,93 |
1996 |
dto. |
|
524,45 |
224,76 |
|
|
|
39 631,32 |
16 984,85 |
Zur Begründung ihres Antrages gaben sie an, dass die in § 36 Abs. 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der in den Streitjahren gültigen Fassung vorgesehene Nichtanrechnung ausländischer Körperschaftsteuerbeträge gegen EG-Recht verstoße. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) habe im Urteil vom 6. Juni 2000 (Rs. C-35/98, Verkooijen, EuGHE I 2001, 1327) in einer niederländischen Rechtssache entschieden, dass es mit dem EG-Vertrag (EGV) unvereinbar sei, wenn bei der Einkommensteuer für Inlandsdividenden eine Steuerbefreiung gewährt werde, die für Dividenden aus anderen Mitgliedstaaten verweigert werde. Nach diesen Grundsätzen verstoße auch § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG gegen den EGV und es seien die genannten Beträge wie bei Inlandsdividenden anzurechnen.
Der Beklagte lehnte die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer mit Schreiben vom 30. November 2000, dem Bevollmächtigten der Kläger erstmals zugegangen per Fax am 16. Januar 2001, ab, weil das von den Klägern zitierte EuGH-Urteil nur die Niederlande binde und nicht festgestellt werden könne, ob die dort geltende Rechtslage den deutschen Regelungen entspreche.
Gegen die Ablehnung legten die Kläger am 16. Januar 2001 Einspruch ein, den sie damit begründeten, dass der deutsche Gesetzgeber (inzwischen) das Anrechnungsverfahren mit der Begründung abgeschafft habe, es sei nicht europatauglich. Auch die Europäische Kommission habe bereits in einem Schreiben vom 31. Oktober 1995 die Auffassung vertreten, die Nichtanrechnung ausländischer Körperschaftsteuer im deutschen Anrechnungsverfahren verstoße gegen die Kapitalverkehrs- und die Niederlassungsfreiheit. Zwar habe die Kommission ihr auf die Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens gerichtetes Begehren nach der Abschaffung des deutschen Anrechnungsverfahrens nicht weiterverfolgt, dies entbinde aber die befassten Gerichte nicht von der Prüfung einer möglichen oder bei letztinstanzlich zuständigen Gerichten zwingenden Vorlage. Im übrigen beantragten die Kläger den Erlaß eines Abrechnungsbescheids.
Der Beklagte legte diesen Antrag als (erneuten) Antrag auf Erteilung geänderter Anrechnungsverfügungen zu den Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre aus. Den so verstandenen Antrag lehnte er jedoch im Rahmen seiner Einspruchsentscheidung vom 25. März 2001 ab, weil die angefochtenen Einkommensteuerbescheide der in § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG vorgegebenen Rechtslage entsprächen, wonach auf die Einkommensteuer nur die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaft angerechnet werden könne. Nichts anderes ergebe sich aus dem zitierten EuGH-Urteil, welches sich auf die vorliegende Situation nicht übertragen lasse.
Am 24. April 2002 haben die Kläger dagegen Klage erhoben und im Rahmen der Klagebegründung klargestellt, dass mit dem Antrag vom 30. Oktober 2000 hauptsächlich der Erlaß eines Abrechnungsbescheides begehrt worden sei. Daraufhin erließ der Beklagte am 20. Februar 2003 einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung 1977 (AO 1977), in welchem er unter Wiederholung seiner bisherigen Begründung wiederum die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer in Höhe von insgesamt 16 984,85 DM ablehnte und zudem klarstellte, dass der Bescheid die in den Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre enthaltenen Anrechnungsverfügungen ersetze. Die Beteiligten haben den vorgenannten Abrechnungsbescheid vom 20. Februar 2003 zum Gegenstand des Klageverfahrens erklärt.
Die Kläger begründen ihre Klage inhaltli...