Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung von Vorsteuer im Billigkeitswege
Tenor
1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
2. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art. 177 Abs. 2 des EG-Vertrags folgende Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
- Hindert Art. 3 Buchstabe a der Achten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern vom 6. Dezember 1979 (8. EG-Richtlinie) die Mitgliedstaaten, in ihrem nationalen Recht die Möglichkeit vorzusehen, daß ein in Art. 2 der Richtlinie genannter Steuerpflichtiger bei von ihm nicht zu vertretendem Abhandenkommen einer Rechnung oder eines Einfuhrdokuments den Nachweis seiner Erstattungsberechtigung durch Vorlage einer Zweitschrift der Rechnung oder des Einfuhrdokuments führt?
- Falls die erste Frage zu verneinen ist: Folgt aus dem gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot und aus dem Prinzip der Neutralität der Umsatzsteuer, daß ein in Art. 2 der 8. EG-Richtlinie genannter Steuerpflichtiger einen Anspruch darauf hat, bei von ihm nicht zu vertretendem Abhandenkommen der in Art. 3 Buchstabe a genannten Rechnungen oder Einfuhrdokumente den Nachweis seiner Erstattungsberechtigung durch Vorlage einer Zweitschrift der Rechnung oder des Einfuhrdokuments führen zu können?
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin aus Billigkeitsgründen eine Vergütung von Vorsteuern erhalten kann, nachdem ein Original-Beleg auf dem Postweg abhandengekommen ist und ihr im Vergütungsverfahren gestellter Antrag deshalb abgelehnt worden ist.
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Frankreich. Sie schloß im Januar 1989 mit der … GmbH (nachfolgend: U-GmbH) eine Vereinbarung, in der sie sich im Zusammenhang mit der Auflösung eines Händlervertrags zur Zahlung von 3.500.000,– DM zuzüglich 490.000,– DM Umsatzsteuer verpflichtete. Die U-GmbH stellte der Klägerin unter dem 1. Februar 1989 eine entsprechende Rechnung mit gesondertem Steuerausweis aus. Diese Rechnung ist nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin auf dem Postweg abhandengekommen: Die Klägerin hatte sie an eine inländische Anwaltskanzlei abgesandt, die von ihr beauftragt war, die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer beim Beklagten als Vorsteuer geltend zu machen. Bei der Anwaltskanzlei ist die betreffende Postsendung jedoch nicht angekommen.
Die Klägerin hat sich daraufhin von der U-GmbH eine Zweitschrift der Rechnung ausstellen lassen und unter Vorlage dieses Dokuments eine Vergütung der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer beantragt. Der Beklagte hat dem Antrag nicht entsprochen, sondern für den betreffenden Vergütungszeitraum (Januar bis März 1989) lediglich einen auf einem anderen Vorgang beruhenden Vergütungsbetrag i.H.v. 4.200,– DM festgesetzt. Die deswegen erhobene Klage hat der 6. Senat des Finanzgerichts Köln mit Urteil vom 3. Juli 1996 6 K 3370/90 als unbegründet abgewiesen; das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Bereits vor Abschluß des den Vergütungsbescheid betreffenden Klageverfahrens hatte die Klägerin beim Beklagten beantragt, die begehrte Vergütung im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 der Abgabenordnung (AO) festzusetzen. Diesen Antrag lehnt der Beklagte ebenfalls ab; die deswegen eingelegte Beschwerde wurde vom Bundesministerium der Finanzen (BdF) als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung ist in der Beschwerdeentscheidung insbesondere ausgeführte für eine Billigkeitsmaßnahme aus sachlichen Gründen sei nur dann Raum, wenn die strikte Anwendung der einschlägigen Vorschriften zu einer vom Gesetz- oder Verordnungsgeber nicht vorhergesehenen Folge führe. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht gegeben, da der Verordnungsgeber sich in § 61 Abs. 1 Satz 4 UStDV eindeutig dafür entschieden habe, im Vergütungsverfahren nur Original-Belege zuzulassen. Er habe damit zumindest billigend in Kauf genommen, daß eine Vergütung abziehbarer Vorsteuern nicht in Betracht komme, wenn der Leistungsempfänger die ihm erteilten Rechnungen nicht im Original vorlegen könne. In einem solchen Fall laufe daher die Versagung der Vorsteuer-Vergütung nicht den Wertungen der umsatzsteuerlichen Vergütungsvorschriften zuwider, weshalb eine abweichende Steuerfestsetzung nicht in Betracht komme. Abschnitt 202 Abs. 7 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) biete ebenfalls keine Basis für eine Billigkeitsmaßnahme, da diese Regelung im Vergütungsverfahren nicht anwendbar sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsbegründung wird auf die im Verwaltungsvorgang befindliche Ablichtung der Beschwerdeentscheidung verwiesen.
Mit der Klage begehrt die Klägerin weiterhin eine Vergütung der ihr in Rechnung gestellten Umsatzsteuer im Billigkeitswege. Hierzu trägt sie im wesentlichen folgendes vor:
§ 61 Abs. 1 Satz 4 UStDV, der für das Vergütungsverfahren eine Vorlage von Original-Belegen verlange, diene der Verhinderung einer Mehrfachvergütung von Umsatzsteuer. Eine solche sei im Streitfall indessen schon deshalb ausgeschlosse...