Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzugsverfahren; Haftung; Begriff der Ortsansässigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1.Ist der leistende Unternehmer objektiv nicht im Erhebungsgebiet ansässig, ist aber gleichwohl zweifelhaft, ob der Unternehmer diese Voraussetzung erfüllt, darf der Leistungsempfänger die ihm gem. § 18 Abs. 8 UStG 1993 obliegende Pflicht zur Einbehaltung und Abfuhr der USt an das zuständige FA nur unterlassen, wenn ihm der Unternehmer durch entsprechende Bescheinigung nachweist, nicht im Ausland ansässig zu sein.
2. Der Begriff der Ansässigkeit für das Abzugsverfahren bestimmt sich nach der Legaldefinition des § 51 Abs. 3 Satz 1 UStDV. Befinden sich Sitz und Geschäftsleitung des Unternehmers unstreitig im Ausland, ist eine Ansässigkeit im Inland nur denkbar, wenn sie über eine inländische Zweigniederlassung verfügt
Normenkette
UStDV 1993 § 51 Abs. 1, 3 S. 1, § 54; UStG 1993 § 18 Abs. 8
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zur Einbehaltung und Abführung von Umsatzsteuer im Rahmen des Umsatzsteuer-Abzugsverfahrens verpflichtet war. Die Klägerin gehört als verbundenes Unternehmen zur Firmengruppe des Herrn N, der am Stammkapital der Klägerin zu 90% beteiligt war. Die Klägerin war Empfänger von umsatzsteuerpflichtigen Werklieferungen der Firma I. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass sich Geschäftsleitung und Sitz der I in der Stadt X (Ausland)befunden haben; unterschiedliche Auffassungen bestehen darüber, ob die I zumindest in den Jahren ab 1996/97 in der Stadt L, BRD auch über eine Zweigniederlassung unter der Anschrift „C-Str.” bzw. „Y-Str.” verfügte, mit der Folge, dass die Klägerin gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 UStDV von der Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Umsatzsteuer für die I befreit wäre.
Generalbevollmächtigter der I war ein Herr F. Die I nahm zunächst die sog. Null-Regelung in Anspruch und erteilte bis etwa 1995 Rechnungen ohne gesonderten Ausweis von Umsatzsteuer. Die steuerlichen Angelegenheiten der I wurden durch Steuerberater O (StB) erledigt (Bestätigung vom 17. Mai 2002, GA Bl. 15). Mitte 1994 gründete F die in der Folgezeit als sog. „inländische Repräsentanz” der I verwendete F-GmbH. Die Eintragung der F-GmbH in das Handelsregister erfolgte im September 1994. Der Bevollmächtigte der Klägerin gibt an, dass die Gründung der F-GmbH erfolgt sei, nachdem F mit dem Versuch gescheitert sei, die I als Zweigniederlassung in das inländische Handelsregister eintragen zu lassen. Der Beklagte bestreitet dies jedoch und erklärt, dass zu keinem Zeitpunkt ein Antrag auf Eintragung einer Zweigniederlassung für I feststellbar sei. Eine schriftliche und telefonische Nachfrage beim Amtsgericht der Stadt L – Handelsregister – ob und wenn ja wann für die Firma I ein Antrag auf die Eintragung einer Zweigniederlassung (§ 13 HGB) in das Handelsregister gestellt worden sei, wurde vom zuständigen Bearbeiter (Herr K) im Telefonat vom 10. Oktober 2006 verneint; es seien weder Eintragungen noch Eintragungsanträge betreffend die I feststellbar, und zwar weder unter der Anschrift „C-Str.” noch unter der Anschrift „Y-Str.”. Auch bei der F-GmbH, für die die Handelsregisterauszüge in Kopie übersandt wurden, finden sich keine Eintragungen, die auf einen Bezug zu I hindeuten oder darauf, dass die F-GmbH als „inländische Repräsentanz” der I gegründet worden sei.
Das damals für die Besteuerung der I zuständige FA M hatte sich bereits im November 1994 an den StB gewandt, weil ermittelt werden sollte, ob zumindest ertragsteuerlich von einer inländischen Betriebstätte auszugehen sei. Trotz mehrfacher Aufforderung erhielt das FA M erst am 5. Oktober 1995 ein Schreiben von StB, in welchem ohne weitere Nachweis-Unterlagen lediglich mitgeteilt wurde, dass eine inländische Betriebstätte der I nicht vorhanden sei.
Ende 1995 beantragte der StB beim Bundesamt für Finanzen (BfF), der I – wie bereits in den Jahren zuvor – ihre Vorsteuerbeträge zu vergüten. Das BfF beschied diesen Antrag nicht sofort, sondern wandte sich zunächst an das FA M wegen der zwischenzeitlich dort für I geführten Steuernummer. Das FA M teilte dem BfF anschließend mit, dass wegen einer möglichen Betriebstätte im Inland eine Schätzung der Körperschaftsteuer für 1994 und 1995 ins Auge gefasst sei. Das BfF lehnte den Antrag daraufhin im August 1996 ab, mit der Begründung, dass die Vorsteuer-Vergütungen nicht im Vergütungsverfahren der §§ 59 ff. UStDV, sondern im allgemeinen Besteuerungsverfahren erfolgen würden. Dieser Ablehnungsbescheid ist heute allerdings weder in den vorhandenen Steuerakten noch bei StB O noch in den Unterlagen des F oder der Klägerin auffindbar (GA Bl. 3). Gleichzeitig teilte es dem FA M mit Schreiben vom 22. August 1996 betreffend den Vergütungszeitraum Januar 1994 bis März 1995 unter Hinweis auf die Begründung im Ablehnungsbescheid mit, dass die nicht im Inland ansässige I im allgemeinen B...