Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslohn, Nachentrichtung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung, Summenbescheide nach § 28f SGB IV
Leitsatz (redaktionell)
Die Nachentrichtung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung durch den Arbeitgeber aufgrund von Summenbescheiden nach § 28f SGB IV führt bei Arbeitnehmern mangels individueller Zuordnung nicht zu einer objektiven wirtschaftlichen Bereicherung und damit nicht zu Arbeitslohn.
Normenkette
EStG § 40 Abs. 1 Nr. 2; SGB IV § 28 Abs. 2; EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Lohnsteuer und Nebenabgaben aus der Übernahme von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung aus sozialversicherungsrechtlichen Summenbescheiden.
Die Klägerin besteuerte seit 2007 Sachzuwendungen an eigene Arbeitnehmer auf ihren Antrag hin pauschal nach § 37b EStG. Hierbei handelte es sich im Wesentlichen um Kosten für Veranstaltungen der Klägerin, wie bspw. die Kosten einer Band bei einem „Get Together” im Rahmen einer Schulungsveranstaltung. Bis heute gibt es bei der Klägerin keine Prozesse zur Individualisierung/Verteilung der Kosten auf die einzelnen Teilnehmer. Die Klägerin ging zunächst davon aus, dass es sich bei den pauschal besteuerten Sachzuwendungen nicht um sozialversicherungspflichtiges Entgelt der Arbeitnehmer handelte und führte hierauf keine Sozialversicherungsbeiträge ab. Auch in Kenntnis der Ergänzung von § 1 Abs. 1 Satz 1 der Sozialversicherungsentgeltsversicherungsverordnung (SvEV) um Nr. 14 zum 01.01.2009 änderte die Klägerin ihr Vorgehen nicht. Um eine konzerneinheitliche sozialversicherungsrechtliche Behandlung pauschal versteuerter Sachzuwendungen an Arbeitnehmer herbeizuführen, traf die Konzernmutter der Klägerin mit der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) eine schriftliche Vereinbarung, wonach die Zuwendungen nicht individuell den betroffenen Lohnkonten zugerechnet werden, sondern die Erhebung der Sozialversicherungsbeiträge über pauschalierte Summenbescheide gemäß § 28 f Abs. 2 SGB IV erfolgt.
Der Beklagte griff diesen Sachverhalt im Rahmen einer am 16.07.2013 angeordneten und bis zum 23.06.2016 durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung bei der Klägerin für den Zeitraum 01.01.2012 bis 31.12.2014 auf. Aus den entsprechenden Summenbescheiden der DRV Bund vom 19.12.2012, 03.06.2013 und 01.07.2014, auf die jeweils im Jahr der Festsetzung von der Klägerin gezahlt wurden, ermittelte die Lohnsteueraußenprüfung Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung i.H. von 109.870,15 € für 2009, 75.999,42 € für 2010 und 102.088,89 € für 2011. Diese Beträge unterwarf sie der Nachversteuerung gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit einem Nettosteuersatz von 43 % (Tz. 5 des Prüfungsberichts vom 21.07.2016, Blatt 36-38 der Gerichtsakte).
Der Beklagte folgte den Feststellungen der Lohnsteueraußenprüfung und erließ mit Datum vom 22.07.2016 einen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer und Bergmannsprämie u.a. nach § 40 EStG der einen Gesamtbetrag von 604.068,85 € ausweist.
Den hiergegen am 22.08.2016 erhobenen Einspruch begründete die Klägerin damit, dass es am erforderlichen Zufluss eines geldwerten Vorteils i.S. von § 11 EStG fehle und damit kein Lohn gemäß § 38 EStG vorliege. Vielmehr bestehe die „Bereicherung” alleine darin, dass die Klägerin ihren gegenüber dem Arbeitnehmer bestehenden Aufrechnungsanspruch aufgrund von § 28 g Satz 3 und Satz 4 SGB IV nicht mehr durchsetzen könne. Dies stelle keine eigenständige Lohnzahlung dar. Auch erwerbe bei einem Summenbescheid der Arbeitnehmer keinen eigenen Anspruch gegenüber dem Versicherungsträger (Hinweis auf die geänderte Rechtsprechung des BFH vom 11.12.2008 V R 9/05, BStBl II 2009, 385). Im Übrigen gelte die Pauschalsteuer nach § 37 b EStG die steuerliche Erfassung des geldwerten Vorteils abschließend ab (Hinweis auf BT-Drucks. 16/2712, 55). Diese abgeltende Wirkung gelte selbst für den Fall der Einzelnacherhebung beim Arbeitnehmer.
Mit Einspruchsentscheidung vom 21.03.2017 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Mit Wirkung vom 01.01.2009 sei in § 1 Abs. 1 S. 1 SvEV eine neue Nr. 14 eingefügt worden, wonach pauschal besteuerte Zuwendungen nach § 37 b EStG nur dann nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen seien, wenn die Zuwendungen an Arbeitnehmer eines nicht mit dem Zuwendenden verbundenen Unternehmens erbracht würden. Ab diesem Zeitpunkt habe die Klägerin die Unmöglichkeit der späteren Rückbelastung der Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag bewusst in Kauf genommen. Im Sinne der Rechtsprechung des BFH im Urteil vom 29.10.1993 (BStBl II 1994, 893) könne ab diesem Zeitpunkt nicht davon ausgegangen werden, dass die Beitragslastverschiebung auf einem Irrtum des Arbeitgebers beruhe. Vielmehr spreche vieles dafür, dass ein bewusster und gewollter Rückbelastungsverzicht der Klägerin vorliege (Hinweis auf BFH-Urteil vom 13.09.2007, BStBl II 2008, 58). Indem...