Entscheidungsstichwort (Thema)
Ernstliche Zweifel an der Umsatzsteuerfreiheit für Fahrsicherheitstrainings eines gemeinnützigen Verkehrssicherheits-Vereins nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind nicht alle Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen zur Erlernung von Fähigkeiten oder Fertigkeiten „wissenschaftlicher oder belehrender Art” im Sinne dieser Vorschrift von der Steuer befreit, sondern nur diejenigen, die als Erziehung von Kindern und Jugendlichen, als Schul- oder Hochschulunterricht, als Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung anzusehen sind. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die von einem gemeinnützigen, satzungsgemäß der Förderung der Verkehrssicherheit dienenden Verein entgeltlich angebotenen Fahrsicherheitstrainings für PKW-Fahrer, für Führerscheinbesitzer mit einjähriger Fahrpraxis, für Fortgeschrittene und Routiniers, für Senioren sowie für Frauen als „Fortbildung” i. S. d. § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG 2005 steuerfrei sein können, wenn der Verein lediglich darlegt, von den den 1045 Teilnehmern im Streitjahr seien 602 Personen von einer Berufsgenossenschaft und 420 weitere Personen von Firmen angemeldet und über diese abgerechnet worden.
2. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG kommt für solche Teilnehmer am Fahrsicherheitstraining in Betracht, die aus beruflichen – nicht nur privaten – Gründen auf ein Kraftfahrzeug und dessen Beherrschung in Gefahrensituationen angewiesen sind und dieses hierfür – und nicht nur, um zu ihrer regelmäßigen Arbeitsstelle zu gelangen – auch regelmäßig und nicht nur gelegentlich nutzen. Dies kann u. U. zum Beispiel für Berufskraftfahrer, Außendienstmitarbeiter von Firmen oder Behörden, Fahrer von Kurierdiensten, Taxifahrer, Fahrer von Rettungswagen, für Polizeibeamte im Streifendienst, Fahrer im Dienste der Bundeswehr oder vergleichbare Berufe zutreffen.
3. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob das von einem Verein angebotene Fahrsicherheitstraining auch dann nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG steuerfrei sein kann, wenn es nicht im Rahmen eines Zweckbetriebs, sondern in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb durchgeführt wird.
Normenkette
UStG 2005 § 4 Nr. 22 Buchst. a; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. i, Art. 133; AO §§ 14, 64 Abs. 1, § 65
Nachgehend
Tenor
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 1.094,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.)
Die Beteiligten streiten darüber, ob vom Antragsteller erbrachte Leistungen nach § 4 Nr. 22 Buchstabe a) des Umsatzsteuergesetzes – UStG – steuerfrei sind.
Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein, dessen satzungsmäßiges Ziel die Förderung der Verkehrsicherheit ist. Schwerpunktmäßige Aufgaben zur Verwirklichung dieses Zieles bilden unter anderem die Verkehrserziehung und -aufklärung und die Anregung und Unterstützung von Unfallverhütungsmaßnahmen. Mit Ausnahme seines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes dient der Verein ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken im Sinne der §§ 51 ff. der Abgabenordnung.
Der Verein bietet unter anderem Sicherheitstrainings für PKW-Fahrer sowie Spezialtrainings für Führerscheinbesitzer mit einjähriger Fahrpraxis, für Fortgeschrittene und Routiniers, für Senioren, für Frauen und für Firmen an. Ausweislich des vom Antragsteller vorgelegten Prospektes (Blatt 58 der Umsatzsteuerakte), auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, sind Ziele des Fahrsicherheitstrainings das rechtzeitige Erkennen von Gefahrensituationen, das Vermeiden von Gefahren durch vorausschauende und angepasste Fahrweise und das Bewältigen von Gefahren durch Wissen und Fahrzeugbeherrschung. Ausweislich dieses Prospektes sind insoweit Ganztageskurse (8 Stunden) mit dem eigenen PKW üblich und beträgt die Teilnehmerzahl 12 bis 14 Personen. Die Inhalte des Trainings werden hiernach durch speziell ausgebildete und weitergebildete Trainer vermittelt. Die Themen werden in Diskussionen mit den Teilnehmern erarbeitet. Im fahrpraktischen Teil wird sich nicht nur dem Training von Fahrfertigkeiten gewidmet, sondern können die Teilnehmer selbst experimentieren, Rückschlüsse auf die Gesetze der Fahrphysik ziehen und so, wenn nötig, das zukünftige Verhalten im Straßenverkehr korrigieren.
Ausweislich seines Jahresabschlusses erzielte der Antragsteller im Streitjahr in seinem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausschließlich Einnahmen aus Sicherheitstrainings in Höhe von 68.542,00 EUR. Nach Abzug von Ausgaben, insbesondere Personalkosten (19.103,00 EUR) und Fremdhonoraren (17.953,00 EUR), in Höhe von zusammen 58.818,62 EUR verblieb ihm in seinem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ein Jahresergebnis von 9.723,3...