Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der stromsteuerbefreiten „Anlage” i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG. Keine Stromsteuerbefreiung für aus mehreren Kraft-Wärme-Kopplungs-Modulen bestehende, zur Versorgung eines Wohngebiets eingesetzte Gesamtanlage mit einer elektrischen Nennleistung von über zwei Megawatt
Leitsatz (redaktionell)
1. § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG ist eine eng auszulegende, vom Gesetzgeber zur Förderung der dezentralen Stromversorgung sowie des sogenannten Contracting vorgesehene Ausnahmevorschrift, die lediglich kleinere Anlagen von der Stromsteuerpflicht ausnehmen soll. Sinn und Zweck ist es nicht, große bzw. größere Anbieter dazu zu bewegen, mehrere kleine Kraftwerke an einem Ort zu bauen, sondern kleine Anbieter mit Kleinkraftwerken an einem Ort von der Stromsteuer zu befreien. Die größeren Anbieter sollen sich nicht dadurch von der Stromsteuer befreien können, indem sie viele kleine Kraftwerke an einem Ort bauen, anstatt ein großes.
2. Der Begriff der „Anlage” i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG ist ein Typusbegriff, so dass immer nach sämtlichen maßgeblichen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ist, ob eine „Anlage” vorliegt. Als Beurteilungsmaßstab kommen u. a. die technische Bauweise, die Art und Weise der Stromerzeugung, die örtlichen Gegebenheiten, die separate oder gemeinsame Energieversorgung der Anlage sowie der Zweck der Betreibung der einzelnen KWK-Module in Betracht.
3. Ein aus mehreren Kraft-Wärme-Kopplungsmodulen (KWK-Module) mit jeweils einer elekrischen Nennleistung unter zwei Megawatt bestehendes, zur Strom- und Wärmeerzeugung für ein bestimmtes Wohngebiet eingesetztes Blockheizkraftwerk ist als eine einheitliche Anlage zu behandeln und folglich bei einer elektrischen Nennleistung der gesamten Anlage von insgesamt über zwei Megawatt nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG steuerbefreit, wenn sich die KWK-Module in einem Raum befinden, die Erdgasversorgung der KWK-Module über eine gemeinsame Gasdruckregelstation erfolgt, für die in den KWK-Modulen erzeugte Wärme ein gemeinsames Rohrleitungssystem genutzt wird und die KWK-Module an eine gemeinsame Rohrleitung angeschlossen sind. Dass das einzelne Modul mit seiner jeweiligen elektrischen Nennleistung jeweils unter zwei Megawatt liegt und jeweils getrennt gesteuert und versorgt wird, ist insofern unerheblich.
Normenkette
StromStG § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b, § 2 Nr. 2; StromStV § 12a
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert beträgt 610.361,00 EUR.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Blockheizkraftwerke (im Folgenden BHKW) der Klägerin als eine Anlage i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 3 Stromsteuergesetz (StromStG) zu beurteilen und folglich steuerbefreit sind.
Die Klägerin betreibt am Standort „… in … das BHKW-Nord mit 4 Kraft-Wärme-Kopplungsmodulen (im Folgenden KWK-Module) und am Standort … in … das BHKW-Süd mit 3 KWK-Modulen. Im BHKW-Nord befinden sich 4 technisch identische Module vom Typ JMS 612 GS-NLS mit einer elektrischen Nennleistung von 1,069 bzw. 1,055 MW. Im BHKW-Süd befinden sich 3 technisch identische KWK-Module vom Typ TBG 441 DV 16 mit einer elektrischen Nennleistung von je 1,938 MW. Im BHKW-Nord befinden sich darüberhinaus 2 Heizkesselanlagen zur Erzeugung von Wärme und im BHKW-Süd 3 Heizkesselanlagen zur Erzeugung von Wärme. Jedes einzelne KWK-Modul besteht im Wesentlichen aus einem 4-Takt-Otto-Gas-Motor und einem an den Motor angeschlossenen Generator. Der Motor wird mit Erdgas angetrieben und erzeugt Kraft und Wärme. Die Kraft wird vollständig zum Antrieb des Generators eingesetzt, während die Wärme dem Kühlwasser, dem Motoröl sowie dem vom Verbrennungsmotor abgegebenen Abgas über sogenannte Wärmetauscher entnommen und auf den Fernwärmeträger (Wasser) übertragen wird. Die über die Wärmetauscher auf den Fernwärmeträger übertragene Wärme wird über eine selbständige Heizkreispumpe und Rohrleitungen der Fernwärmesammelleitung dem öffentlichen Fernwärmeversorgungsnetz zugeführt. Vor dem Abgas-Wärmetauscher ist ein Schalldämpfer sowie ein Katalysator und nach dem Abgas-Wärmetauscher nochmals ein Schalldämpfer angebracht. Das Abgas wird über ein separates Abgasrohr, dass zusammen mit den Abgasrohren der anderen KWK-Module von einem Tragrohr ummantelt ist, in die Umgebung abgegeben. Jedes KWK-Modul wird über einen separaten Schaltschrank gesteuert. Die separate Steuerung ermöglicht einen vollständig selbständigen Betrieb jeder einzelnen Anlage. Für jedes KWK-Modul wird über eine separate Messeinrichtung, die Erdgaszufuhr, die Stromerzeugung sowie die Wärmeabgabe gemessen.
Neben jedem BHKW ist eine Gasdruckregelstation errichtet worden, über die das Erdgas aus einer Hochdruckleitung entnommen und auf Mitteldruck entspannt wird. Die Hochdruckleitung und die Gasdruckregelstation sind Bestandteile des öffentlichen Er...