Entscheidungsstichwort (Thema)
Übereinstimmung des maschinellen Bescheiddatums mit dem Absendetag nicht zweifelhaft
Leitsatz (redaktionell)
Das bei den Finanzämtern des Landes Mecklenburg-Vorpommern praktizierte „Integrierte Automatisierte Besteuerungsverfahren“ bietet die Gewähr dafür, dass das maschinelle Bescheiddatum mit dem Absendetag übereinstimmt.
Normenkette
AO 1977 § 122 Abs. 2 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten,. ob die Kläger rechtzeitig Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1996 eingelegt haben.
Nachdem die Kläger trotz Mahnung keine Steuererklärung für 1996 abgegeben haben, erließ der Beklagte einen Einkommensteuerschätzungsbescheid 1996, der unter dem Datum des ... September 1998 gedruckt und den Klägern mittels einfachen Brief zugestellt worden ist. In der Zeit vom ... September 1998 bis zum ... Oktober 1998 befand sich der Kläger zur Pflege seiner kranken Mutter in ...
Am ... Oktober 1998 legten die Kläger Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1996 ein. Zur Begründung verwiesen die Kläger auf die Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1996 und wiesen darauf hin, daß die Zustellung des Bescheides vom ... September 1998 durch die Post erst am ... September 1998 erfolgt sei.
Mit Schreiben vom ... Oktober 1998 wurden die Kläger vom Beklagten darauf hingewiesen, daß ihr Einspruch erst am ... Oktober 1998, und damit verspätet eingegangen sei, da die Rechtsbehelfsfrist am Montag, den ... Oktober 1998 abgelaufen sei. Die Kläger wurden auf die Möglichkeit hingewiesen, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 Abgabenordnung - AO -) zu stellen. In dem Schreiben wurden die Voraussetzungen für einen Antrag auf Wiedereinsetzung dargelegt.
Nach zweimaliger Erinnerung teilten die Kläger mit Schreiben vom ... Juni 1996 mit, daß trotz umfangreicher Nachforschungen bei der Deutschen Post AG diese die späte Zustellung nicht schriftlich habe bestätigen wollen, jedoch die örtliche Zustellerin eingeräumt habe, daß die verspätete Zustellung durchaus möglich gewesen sei. Auch habe der Nachbar Herr ... bestätigt, einmal im Herbst 1998 und erneut am ... Januar 1999 an die Kläger adressierte Post erhalten zu haben.
Mit der Einspruchsentscheidung vom ... Juli 1999 hat der Beklagte den Einspruch als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat der Beklagte ausgeführt, daß der Einkommensteuerbescheid 1996 gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als am ... September 1998 bekanntgegeben gelte. Die von den Klägern dargelegten Hinweise auf fehlerhafte Zustellungen im Wohnort der Kläger seien allgemein und nicht auf den Streitfall bezogen, so daß sie keine Zweifel an dem gesetzlich vermuteten Zeitpunkt des Zugangs des Einkommensteuerbescheides 1996 bei den Klägern zu begründen vermögen. Zudem wies der Beklagte darauf hin, daß die Deutsche Post AG etwaige Störungen im Postverkehr im Wohnort der Klägerin, nach dem eigenen Vortrag der Kläger, nicht habe schriftlich bestätigen wollen, was den Umkehrschluß zulasse, daß es solche Störungen nicht gegeben habe.
Einen Antrag auf Wiedereinsetzung hätten die Kläger nicht gestellt und Wiedereinsetzungsgründe seien ihrem Vorbringen auch nicht zu entnehmen.
Mit am ... August 1999 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung tragen die Kläger vor, daß der Beklagte beweispflichtig im Hinblick auf den Zeitpunkt des Abgangs des streitgegenständlichen Bescheides sei. Dies ergebe sich aus dem Urteil des BFH vom 20. September 2000 (III R 43/97, DB 2001, 411). In diesem Urteil habe der BFH dargelegt, daß das Finanzamt den Nachweis der Absendung eines Steuerbescheides vor Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises führen könne, wenn auf der Aktenausfertigung des Steuerbescheides kein Absendevermerk festgehalten worden sei. Soweit der BFH in seinem vorgenannten Urteil diese Rechtsgrundsätze nur auf fristwahrende Steuerbescheide beschränkt wissen wolle, sei das Urteil wegen Verstoßes gegen Art. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) verfassungswidrig. Da der Beklagte auf der Aktenausfertigung keinen Absendenachweis angebracht habe, könne er die Absendung des streitgegenständlichen Steuerbescheides am ... September 1998 nicht beweisen, so daß der Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO die Grundlage entzogen sei.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem von der Finanzverwaltung eingeführten und auch im Streitfall verwendeten computergestützten Versandverfahren für Steuerbescheide. Denn der Beklagte könne trotz der vorgelegten Dokumentation lediglich behaupten und nicht nachweisen, daß der streitgegenständliche Bescheid neben mehreren tausend weiteren Bescheiden auch tatsächlich am ... September 1998 erstellt und an diesem Tage versandt worden sei.
Zudem wiesen die Kläger darauf hin, daß das zentrale Versandverfahren unter Anlegung rechtsstaatlicher Grundsätze nicht haltbar sei, weil auch von jedem Steuerberater oder Rechtsanwalt verlangt werde...