Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit eines verfristeten Einspruchs bei verspäteter Zustellung eines Einspruchsbescheids
Leitsatz (redaktionell)
- Die unmittelbare computergestützte Versendung eines Steuerbescheids durch das Rechenzentrum der Finanzverwaltung mittels einfachen Briefes bietet generell die Gewähr dafür, dass das maschinelle Bescheiddatum und der Absendetag übereinstimmen und stellt insoweit einen für die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 AO ausreichenden Anscheinsbeweis dar.
- Der allgemeine Hinweis auf mögliche Unregelmäßigkeiten bei der Finanzbehörde oder ein abweichender Eingangsvermerk des Stpfl. reicht nicht aus, diesen Anscheinsbeweis zu entkräften.
- Im Falle einer behaupteten Abweichung zwischen Bescheid- und Zugangsdatum obliegt es dem Stpfl., den Briefumschlag aufzubewahren.
Normenkette
AO § 122 Abs. 2
Streitjahr(e)
2001, 2002
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger war in den Streitjahren 2001 und 2002 selbständig tätig. Da er trotz Aufforderung des Beklagten keine Erklärungen für 2001 und 2002 abgab, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abgabenordnung (AO) und setzte die Umsatzsteuer 2001 und 2002 jeweils mit Bescheiden vom 24.06.2004 fest.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 30.07.2004, per Fax am gleichen Tag beim Beklagten eingegangen, Einspruch ein. Die Steuererklärungen reichte er während des Einspruchsverfahrens ein. Er gab an, die Umsatzsteuerbescheide 2001 und 2002 seien ihm am 08.07.2004 zugestellt worden. Nachdem der Beklagte den Kläger darauf hingewiesen hatte, dass die Einsprüche verspätet eingegangen seien, teilte der Kläger mit, dass ihm die Gründe der verspäteten Zustellungen nicht bekannt seien. Er habe die Bescheide an diesem Tag erhalten und den Eingang mit seinem Datumsstempel dokumentiert. Weder der Versandtag durch das Finanzamt noch die Beförderung durch die Post lägen in seiner Macht. Das Finanzamt sei hinsichtlich des Tages der Zustellung nachweispflichtig, nicht er.
Mit Einspruchsentscheidung vom 01.06.2005 verwarf der Beklagte die Einsprüche als unzulässig. Zur Begründung führte er aus, dass die Bescheide am 24.06.2004 vom Rechenzentrum der Finanzverwaltung versandt worden seien. Die Monatsfrist des § 355 Abs. 1 AO habe mit Ablauf des 27.07.2004 geendet. Seine Behauptung der Zustellung der Bescheide am 08.07.2004 habe der Kläger trotz Aufforderung des Beklagten nicht bewiesen. Er habe auch nicht substantiiert besondere Umstände vorgetragen, die den Zugang innerhalb von drei bzw. vier Tagen nach Aufgabe zur Post hätten in Frage stellen können. Solche seien auch nicht erkennbar, vor allem im Hinblick darauf, dass beide getrennt versandten Bescheide innerhalb des Stadtgebietes fast zwei Wochen nach dem nach § 122 AO angenommenen Bekanntgabetag beim Kläger eingegangen sein sollen. Zudem sei dem Kläger anzulasten, dass er sich nicht sofort an das Finanzamt gewandt habe, um eine eventuelle Fristversäumnis zu vermeiden, nachdem er eine vierzehntägige Postlaufzeit festgestellt habe. Unerheblich sei, wann der Kläger tatsächlich Kenntnis von den Verwaltungsakten genommen habe. Allein ein abweichender Eingangsvermerk begründe noch keine Zweifel am Zugang des Verwaltungsakts innerhalb des gesetzlich vermuteten Dreitageszeitraums (Bundesfinanzhof BFH, Beschluss vom 27.02.1998, IX B 29/96, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH BFH/NV 1998, 1064).
Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe der Kläger nicht dargelegt und seien aus den Akten auch nicht ersichtlich.
Gegen die Einspruchsentscheidung vom 01.06.2005 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
Der Kläger hält daran fest, dass ihm die Bescheide erst am 08.07.2004 zugegangen seien. An diesem Tage habe er sie in seinem Briefkasten, den er täglich leere, vorgefunden und mit seinem Eingangsstempel versehen. Zur Glaubhaftmachung werde eine eidesstattliche Versicherung des Klägers angeboten. Der Kläger sei auch nicht, wie vom Beklagten erwogen, auf Geschäftsreise gewesen. Dies könne durch Vorlage des Terminkalenders des Klägers bewiesen werden.
Ausdrücklich bestritten werde, dass die Bescheide tatsächlich am 24.06.2004 zur Post gegeben worden seien. Im Hinblick auf die Möglichkeit von Unregelmäßigkeiten bei der Finanzbehörde könnten durchaus Abweichungen zwischen Bescheid- und Postaufgabedatum auftreten.
Im Übrigen seien die Briefumschläge, in denen die Bescheide versandt worden seien, ohne „Datumsvermerk” gewesen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 01.06.2005 die Umsatzsteuerbescheide für 2001 und 2002 vom 24.06.2004 dergestalt zu ändern, dass die Umsatzsteuer wie erklärt festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genom...