Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer 1996 und 1997

 

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

3. Der Streitwert wird auf 243.793 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob Leistungen als „Zubringer” oder „Koordinator” im Rahmen eines Strukturvertriebes nach § 4 Nr. 8 f des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) steuerfrei sind.

Wegen des Sachverhalts im einzelnen wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Antragstellerin beantragt die Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für 1996 und 1997 vom 24. März 1998 wegen ernstlicher Zweifel an deren Rechtmäßigkeit.

Der Antragsgegner (Finanzamt) beantragt die Ablehnung des Antrags.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist nicht begründet.

Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand präsenter Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 3 und Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der Bescheide (vgl. Bundesfinanzhof-BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BStBl III 1967, 182), und zwar aus folgenden Erwägungen:

Das Gericht hat keine ernstlichen Zweifel daran, daß die Leistungen der Antragstellerin als „Zubringer” und „Koordinator” nicht nach § 4 Nr. 8 f UStG als Vermittlung (von Gesellschaftsanteilen) steuerfrei sind.

Der insoweit maßgebliche Begriff der „Vermittlung” setzt das Verhandeln mit beiden Vertragsparteien, also mit dem Auftraggeber und dem Dritten voraus, mit dem Ziel, einen Vertrag zustande zu bringen (BFH-Urteile vom 12. Januar 1989 V R 43/84, BStBl II 1989, 339 und vom 26. Januar 1995 V R 9/93, BStBl II 1995, 427). Als „Vermitteln” kann nicht angesehen werden, daß jemand nur irgendeine Bedingung für den Abschluß des Vertrages setzt (BFH in BStBl II 1989, 339).

Davon ausgehend ist die Tätigkeit der Antragstellerin als „Zubringer” oder „Koordinator” keine „Vermittlung”, da Gegenstand dieser Tätigkeit das Zuführen neuer Abschlußvermittler an die AG bzw. die Überwachung der Abschlußvermittler und deren Aus- und Weiterbildung ist, also ein Kontakt mit dem Dritten nicht stattfindet.

Die vorgenannte Auslegung des Begriffs „Vermittlung” in § 4 Nr. 8 a bis f UStG sieht das Gericht auch nicht durch das von der Antragstellerin vorgelegte Rechtsgutachten von Professor Dr. Lang (veröffentlicht in UR 1998, 325) in ernstliche Zweifel gezogen. Denn diese Auslegung entspricht der Wortbedeutung. Vermitteln ist danach nicht jede Vorleistung, die damit wirtschaftlich zusammenhängt.

§ 4 Nr. 8 f UStG hat zur Tatbestandsvoraussetzung nicht etwa den Begriff des Handelsvertreters i. S. des § 84 des Handelsgesetzbuches (HGB), sondern den Begriff der „Vermittlung”. Die Vorschrift des § 84 Abs. 3 HGB, die von der Zivilrechtsprechung zur Bestimmung des Begriffs der Vermittlung in § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB herangezogen wird, erscheint daher hierfür nicht von Bedeutung (vgl. BFH in BStBl II 1995, 427). Demgemäß kann die aus § 84 Abs. 3 HGB abgeleitete Möglichkeit, eine mittelbare Einwirkung auf den Kunden als Vermittlungstätigkeit zu begreifen, das Ergebnis im Streitfall nicht zugunsten der Antragstellerin beeinflussen.

Im übrigen ist die zwischengeschaltete Person auch nur dann als Handelsvertreter anzusehen, wenn sie nach dem wirtschaftlichen Erscheinungsbild dem eines echten Generalvertreters mit eigenem Vertreterstab nahe kommt (BGH-Urteil vom 22. Juni 1972 VII ZR 36/71, BGHZ 59/87/92 f.; BFH-Urteil vom 29. Januar 1998 V R 41/96, n.v.). Dies erscheint im Streitfall ebenfalls tatsächlich zweifelhaft.

Die Vorschriften der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (ABl. EG 1977 Nr. L 145 S. 1) führen zu keinem anderen Ergebnis. Anhaltspunkte dafür, daß das Tatbestandsmerkmal „Vermittlung” in Art. 13 Teil B Buchstabe d Nr. 5 der Sechsten Richtlinie anders auszulegen ist als in dem insoweit wortgleichen § 4 Nr. 8 f UStG, sind nicht erkennbar. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die umsatzsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften als Ausnahmeregelungen regelmäßig eng auszulegen sind (Urteile des Europäischen Gerichtshofs –EuGH– vom 15. Juni 1989 Rs. 348/87, Stichting Uitvoe-ring Financiele Acties, EuGHE 1989, 1737, Randnr. 13; und vom 12. Februar 1998 Rs. C-346/95, Blasi, EuGHE 1998, 1–481, Randnr. 18 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung).

Ob die Rechtsprechung zu § 4 Nr. 11 UStG zu anderen Ergebnissen führen könnte, kann dahinstehen. Diese Rechtsprechung kann im Streitfall nicht herangezogen werden, weil der Tatbestand des § 4 Nr. 8 f UStG nicht an bestimmte, berufstypische Vertretertätigkeiten anknüpft, sondern erfolgsbezogen ausgestaltet ist (BFH in BStBl II 1995, 427 und BFH-Urteil vom 29. Januar 1998 V R 41/96 unter II. b) der Entscheidungsgründe). Letzteres entspricht auch den Ergebnissen des vorgelegten Rechtsgutacht...

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