Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerhinterziehung und Berichtigungserklärung gegenüber unzuständigem Finanzamt
Leitsatz (redaktionell)
Erlangt das Finanzamt erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist von der zu Arbeitslohn führenden Ausübung von Aktienoptionen Kenntnis, weil der Arbeitnehmer –der zunächst einem Tatbestandsirrtum unterlag– nachdem er von der steuerlichen Relevanz der Optionsausübung erfährt, keine Berichtigungsanzeige i.S. des § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 innerhalb der regulären Festsetzungsfrist an das zuständige Finanzamt sendet, liegt eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 vor (hier: Abgabe einer Nacherklärung des Arbeitslohns durch den Arbeitgeber auch im Namen des Arbeitnehmers beim Betriebsstätten-Finanzamt innerhalb der Festsetzungsfrist; Eingang der Kontrollmitteilung beim zuständigen Finanzamt jedoch erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist).
Normenkette
AO 1977 § 370 Abs. 1 Nr. 2, § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 169 Abs. 2 S. 2; EStG § 8 Abs. 2, §§ 42d, 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob Steuerbescheide nachträglich geändert werden durften.
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger war in den Streitjahren 1994 und 1995 bei der Fa. A-GmbH, Deutschland (im Folgenden: A-GmbH), als Vertriebsingenieur angestellt und bezog Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die A-GmbH ist eine Vertriebsgesellschaft für Produkte ihrer Muttergesellschaft, der Fa. A-Inc. …, Kalifornien, USA (im Folgenden A-Inc.). Ende 1995 schied der Kläger aus der Firma aus.
Die Einkommensteuererklärung für das Jahr 1994 ging beim Beklagten (dem Finanzamt – FA –) am 6. November 1995 ein und die für das Jahr 1995 am 19. Juli 1996. Das FA veranlagte zunächst erklärungsgemäß. Die entsprechenden Einkommensteuerbescheide datieren vom 2. Januar 1996 und 25. September 1996. Sie wurden bestandskräftig.
Durch ein Schreiben des Finanzamts K (Betriebsstättenfinanzamt der A-GmbH) vom 21. Januar 2003 (Einkommensteuerakte, Bl 31), auf das Bezug genommen wird, erfuhr das FA erstmals, dass der Kläger in den Jahren 1993 bis 1996 aus der Ausübung von Aktienoptionen steuerpflichtige Einnahmen in Höhe von insgesamt 545.390 $ erhalten hatte, die nicht versteuert worden waren. Bereits mittels einer Kontrollmitteilung vom 21. Februar 2000 (Einkommensteuerakte, Bl 34) hatte das Finanzamt K versucht, das FA über die dem Kläger zugeflossenen geldwerten Vorteile zu informieren; diese Mitteilung kam beim FA aber nicht an. Die Optionsrechte hatte der Kläger von der A-Inc. erhalten. Diese betrafen deren Aktien und waren an das Dienstverhältnis mit der A-GmbH gekoppelt. In den Lohnsteuerbescheinigungen der A-GmbH war der aus der Ausübung der Aktienoptionen resultierende Zufluss von Arbeitslohn nicht enthalten.
Daraufhin informierte das FA den Kläger über den Vorgang (Schreiben vom 30. Januar 2003) und gab ihm Gelegenheit, die entsprechenden Einkünfte nachzumelden. Demgegenüber vertrat der Kläger die Auffassung, dass eine Berichtigung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung gem. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) nicht mehr möglich sei. Eine Steuerhinterziehung könne nicht angenommen werden, weil er die erworbenen Aktien jeweils länger als ein halbes Jahr gehalten habe und deshalb der Auffassung gewesen sei, dass es sich bei den Gewinnen aus den Aktienoptionen um steuerfreie Vermögenszuwächse gehandelt habe. Dies habe auch der damalige Geschäftsführer der A-GmbH so gesehen.
Im November 1999 sei der Kläger von der A-GmbH darauf hingewiesen worden, dass die Lohnbesteuerung der Aktienoptionen nicht korrekt durchgeführt worden sei. Die Kanzlei … habe daher im Namen der A-GmbH und des Klägers beim Betriebsstättenfinanzamt eine Nacherklärung vorgenommen, wozu das FA bislang noch keine Stellung genommen habe. In der von der Kanzlei …gefertigten Nacherklärung vom 14. Oktober 1999 (Einkommensteuerakte, Bl 59), in der die A-GmbH unter Berufung auf die Vorschriften der §§ 41c Abs. 4, 42 d Abs. 2 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) und der §§ 371, 378 AO u.a. anführt, dass sich das Optionsverfahren „außerhalb des Herrschaftsbereichs” der A-GmbH abgespielt und diese nicht zu erkennen vermocht habe, ob und bejahendenfalls zu welchem Zeitpunkt sie verpflichtet gewesen sei, für den Zufluss der geldwerten Vorteile Lohnsteuer einzubehalten.
Da der Kläger der Auffassung gewesen sei, dass die steuerliche Behandlung richtig war, könne allenfalls ein Tatbestandsirrtum angenommen werden, nicht jedoch vorsätzliches Handeln. Eine Steuerhinterziehung sei deshalb auszuschließen. Eine leichtfertige Steuerverkürzung könne dem Kläger ebenfalls nicht angelastet werden. Aus diesem Grunde sei von der normalen Festsetzungsfrist von 4 und nicht von der verlängerten ...