Entscheidungsstichwort (Thema)
PKW-Abschreibungsdauer im Zusammenhang mit der Errechnung eines fiktiven „Buchwerts”. Einkommensteuer 1998. Solidaritätszuschlag 1998
Leitsatz (amtlich)
Erleidet ein Arbeitnehmer auf einer Dienstreise einen PKW-Unfallschaden, kann die AfaA als Werbungskosten in Abzug gebracht werden. Bei der Berechnung des nach der Rechtsprechung zu Grunde zu legenden fiktiven „Buchwerts” ist abweichend von den AfA-Tabellen grundsätzlich von einer achtjährigen Abschreibungsdauer auszugehen.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 1998 vom 16.9.1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.11.2000 wird dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer auf 9.866 DM herabgesetzt wird.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Gründe
I.
Streitig ist, welche Abschreibungsdauer der Besteuerung zugrunde zu legen ist.
Die Klägerin (Klin) ist von Beruf Lehrerin (Studienrätin). Am 24.1.1998 erlitt sie auf der Heimfahrt von einem von der Schule veranstalteten Skikurs einen Autounfall. Der PKW (VW Golf III, Anschaffung am 31.5.1994, Anschaffungskosten 25.736 DM) wurde hierbei so stark beschädigt, dass er danach noch einen Verkehrswert von 5.500 DM hatte. Zu diesem Preis wurde das Fahrzeug am 31.1.1998 veräußert. Der ADAC hatte den Wert des Fahrzeugs vor dem Unfall auf 17.150 DM geschätzt. Erstattungen von dritter Seite (Versicherungen usw.) erfolgten nicht.
Das Fahrzeug war der Klin von ihrem Vater am 30.7.1997 übergeben worden. Nach den Angaben der Klin betrug der Kilometerstand zu diesem Zeitpunkt ca. 45.000 km und im Zeitpunkt des Unfalls ca. 62.900 km.
In der Einkommensteuererklärung 1998 (Streitjahr) machte die Klin die Differenz zwischen dem ADAC-Schätzwert und dem Wert des Fahrzeugs nach dem Unfall (11.650 DM) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Im Einkommensteuerbescheid 1998 vom 16.9.1999 (Einkommensteuer: 12.635 DM) ließ der Beklagte (Finanzamt –FA–) diese Aufwendungen nicht zum Abzug zu.
Im Einspruchsverfahren ging der steuerliche Vertreter von einer Gesamtnutzungsdauer des PKW von 8 Jahren aus und berechnete die Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung (AfaA) gem. § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG wie folgt (Schreiben an das FA vom 30.9.1999; ESt-Akte 1998, Bl 12):
|
DM |
Anschaffungskosten 31.5.1994 |
25.736 |
./. AfA für 44 Monate (VI/94– I/98) |
11.796 |
„Buchwert” im Zeitpunkt des Unfalls |
13.940 |
./. Verkehrswert nach dem Unfall |
5.500 |
AfaA bzw. Werbungskosten |
8.440 |
Das FA ging demgegenüber entsprechend dem BMF-Schreiben vom 3.12.1992 (BStBl. I 1992, 734) von einer Nutzungsdauer von 5 Jahren aus und errechnete daraus einen „Buchwert” von 6.863 DM bzw. eine AfaA in Höhe von 1.363 DM. Dementsprechend wurde die Einkommensteuer in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 20.11.2000 auf 12.183 DM herabgesetzt. Im übrigen blieb der Einspruch ohne Erfolg.
Mit der Klage wird unter Verweisung auf die im Einspruchsverfahren eingereichten Schriftsätze geltend gemacht, dass die von der Finanzverwaltung zugrunde gelegte Nutzungsdauer von 5 Jahren unrealistisch sei sowie der allgemeinen Lebenserfahrung und der höchstrichterlichen Rechtsprechung widerspreche.
Die Klin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 16.9.1999 in Gestalt der EE vom 20.11.2000 in der Weise zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 7.077 DM in Abzug gebracht werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II.
Die Klage ist begründet.
1. Führt ein Arbeitnehmer Dienstreisen mit seinem PKW durch, kann er bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit die hierdurch entstanden Aufwendungen als Werbungskosten absetzen. Hierzu zählen auch die auf die Dienstreise entfallenden AfA (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG). Ereignet sich auf der Dienstreise ein Unfall und lässt der Steuerpflichtige den Schaden nicht reparieren, kann die durch den Unfall bedingte Wertminderung in Form der AfaA in Abzug gebracht werden. Diese bemisst sich nach der Differenz zwischen einem fiktiv zu ermittelnden „Buchwert” des PKW im Zeitpunkt des Unfalls und dem Zeitwert nach dem Unfall. Hierbei ist der fiktive „Buchwert” in der Weise zu ermitteln, dass die Anschaffungskosten des PKW um die lineare AfA gekürzt werden, die der Steuerpflichtige bis zum Unfallzeitpunkt hätte in Anspruch nehmen können, wenn er das Fahrzeug ausschließlich zur Einkünfteerzielung verwendet hätte (vgl. Urteil des BFH vom 24.11.1994 IV R 25/94, BStBl. II 1995, 318; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort „Kraftfahrzeugunfall” Rz 12; Schmidt/Drenseck § 19 R...