rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 bei Nichtgeltendmachung von Kosten in Zusammenhang mit einem Mietprozess. Einkommensteuer 1991 und 1992
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Steuerpflichtiger handelt nicht grob fahrlässig i.S. des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977, wenn er es unterlässt, in Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entstandene Prozesskosten zu erklären, weil die Anlage V eine solche Rubrik nicht vorsieht und auch die Anleitung zur Einkommensteuererklärung keinen Hinweis auf die Abziehbarkeit von Prozesskosten enthält.
2. Dem Steuerpflichtigen kann auch kein schuldhaftes Verhalten seines steuerlichen Beraters zugerechnet werden, wenn nicht ersichtlich ist, dass der Steuerberater seine Sorgfaltspflicht in ungewöhnlich großem Maße verletzt hat (hier: Anhaltspunkte für zahlungsunwillige Mieter lagen aufgrund gestiegener Mieteinnahmen nicht vor)
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 150 Abs. 2 S. 1
Tenor
1. In Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1991 vom 3.11.1992 und 1992 vom 27.7.1993 und der Einspruchsentscheidung vom 30.8.1994 wird die Einkommensteuer für 1991 auf 3.690 DM, für 1992 auf 7.093 DM sowie der Solidaritätszuschlag für 1991 auf 138,38 DM und für 1992 auf 265,99 DM festgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für 1991 und 1992 gemäß § 173 Abs. l Nr. 2 Abgabenordnung (AO) zu ändern sind.
Die Kläger sind Ehegatten und werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Sie erzielten in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Daneben erzielte der Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Für das Objekt …, …- str. 4, erklärte der Kläger für das Streitjahr 1991 Einkünfte in Höhe von 5.388 DM und für 1992 in Höhe von 6.735 DM. Nach Korrektur der AfA zugunsten des Klägers setzte das beklage Finanzamt (FA) die Einkommensteuer für 1991 mit Bescheid vom 3.11.1992 auf 3.784 DM und den Solidaritätszuschlag auf 141,90 DM fest. Die Einkommensteuer für 1992 setzte das FA mit Bescheid vom 27.7.1993 auf 7.218 DM, den Solidaritätszuschlag auf 270,67 DM fest.
Nach Ablauf der Rechtsbehelfsfristen beantragten die Kläger, bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten zu berücksichtigen. Für 1991 reichten sie einen Beleg über einen Gerichtskostenvorschuß in Höhe von 500 DM ein sowie für 1992 einen Beleg über 613,21 DM anteilige Verfahrenskosten. Mit Schreiben vom 15.7.1994 lehnte das FA eine Änderung der Einkommensteuerbescheide ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch der Kläger vom 16.7.1994 wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 30.8.1994 als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die Klage.
Zur Begründung wird vorgetragen, daß die Kläger kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden treffe. Bei den geltend gemachten Kosten handele es sich um Prozeßkosten für einen Rechtsstreit mit den Mietern. Weder auf den Erläuterungen noch in der Steuererklärung selbst sei darauf hingewiesen, daß Prozeßkosten steuerlich absetzbar seien. Der Steuerberater, der an der Erklärung der Einkommensteuererklärung mitgewirkt habe, konnte von den Kosten ebenfalls nichts wissen, da sie in Unkenntnis der Absetzbarkeit diesem die Rechnungen nicht vorgelegt hätten. Der Rechtsstreit sei notwendig geworden, da die Mieter einer Kündigung wegen Mietrückständen widersprochen haben. Schließlich sei die Miete bezahlt und das Mietverhältnis bis Mai 1994 fortgesetzt worden. Die Verfahrenskosten seien nicht erstattet worden.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
unter Änderung der bisherigen Bescheide und Aufhebung der Einspruchsentscheidung die Einkommensteuer für 1991 auf 3.690 DM und den Solidaritätszuschlag auf 138,38 DM sowie die Einkommensteuer für 1992 auf 7.093 DM und den Solidaritätszuschlag auf 265,99 DM festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt
Klageabweisung.
Den Klägern hätte sich aufdrängen müssen, daß die Prozeßkosten im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung stehen könnten. Sie hätten deswegen diese Frage bei einem Steuerberater klären müssen. Dieses Unterlassen stelle ein grobes Verschulden im Sinne von § 173 Abs. l Nr. 2 AO dar.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist begründet.
Das FA durfte den Antrag auf Änderung nicht mit dem Hinweis auf ein grobes Verschulden der Kläger ablehnen.
Nach § 173 Abs. l Nr. 2 AO 1977 sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, daß die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekanntwerden...