Entscheidungsstichwort (Thema)

Zolltarifliche Einreihung von Silikonventilen für Flaschen oder Duschbadspender, aktiver Irrtum der Zollbehörden. Vertrauensschutz durch Gutachten der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für den Einsatz in Flaschen oder Duschbadspendern bestimmte Silikonventile, mittels derer Flüssigkeiten bei Bedarf durch manuellen Druck aus den Behältnissen gedrückt werden können, sind nicht in Kap. 84 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen.

2. Ein aktiver Irrtum der Zollbehörden, der die Nacherhebung von Zoll ausschließt, liegt vor, wenn die zolltarifliche Einreihung, die sich später als unrichtig erwiesen hat, zunächst durch Gutachten mehrerer Zolltechnischer Prüfungs- und Lehranstalten, auf deren Richtigkeit der Abgabenschuldner vertrauen durfte, bestätigt worden war.

 

Normenkette

ZN Kap. 84; ZK Art. 220 Abs. 2 Buchst. b, Art. 239

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.02.2013; Aktenzeichen VII R 37/11)

BFH (Urteil vom 05.02.2013; Aktenzeichen VII R 37/11)

 

Tenor

1. Unter Änderung des Einfuhrabgabenbescheides vom 22. April 2008 und der Einspruchs entscheidung vom 5. August 2008 wird der für die Einfuhren im Zeitraum vom 27. April 2005 bis 28. Juli 2006 nachzuerhebende Zoll auf 8.926,79 EUR herabgesetzt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Gerichtskosten tragen das HZA zu 92 % und die Klägerin zu 8 %.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob das Hauptzollamt (HZA) zu Recht von der Klägerin Zoll nacherhoben hat.

Die Klägerin führte in den Jahren 2005 und 2006 Silikonventile aus den USA nach Deutschland ein, die sie überwiegend unter der Codenummer xxx der Kombinierten Nomenklatur (KN) und zu einem geringen Teil unter Verwendung von Codenummern der Kapitel 32, 39 und 40 KN zum zollrechtlich freien Verkehr anmeldete. Die Abfertigung erfolgte jeweils antragsgemäß.

Bei den Silikonventilen handelte es sich um kreisrunde, hutförmige Einsätze aus SilikonKautschuk (Kunststoff) in verschiedenen Größen, die mit zentrisch angebrachten kreuzweisen Einschnitten versehen sind. Die Silikonventile sind dazu bestimmt, auf die Rundöffnung von Kunststoffbehältnissen (z. B. auf eine Flasche oder einen Duschbadspender) aufgesetzt zu werden. Die Verschlusswirkung erfolgt durch einen praktisch luft- und wasserdicht abschließenden, gekerbten und nach außen gewölbten Rand, der nach den Herstellvorgaben exakt auf die Öffnung des jeweiligen Behältnisses abgestimmt ist und fest bzw. abdichtend gegenüberflüssigen Medien anliegt. Der mittig angebrachte Kreuzschlitz ist bei Druckgleichheit der das Ventil umgebenden Medien verschlossen, weil die Schlitzstellen dann direkt aneinander stoßen. Um Flüssigkeit aus dem Behältnis herauszulassen, muss dieses mit Handkraft eines Menschen zusammengedrückt werden. Durch diesen Druck wölbt sich das Ventil im Bereich des Kreuzschlitzes einseitig nach außen hin und lässt die Flüssigkeit entweichen. Bei Beendigung des Drucks geht der Kreuzschlitz in die Ausgangsposition zurück und schließt das Behältnis bis zur nächsten Verwendung wieder dicht ab.

In einem Einreihungsgutachten vom 30. Juli 2004 betreffend einen Zollbeleg vom … kam die Oberfinanzdirektion – Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) Z nach der Untersuchung eines Ventils aus Silikon-Kautschuk zu dem Ergebnis, dass dieses als „Armatur (Ventil aus Kunststoff für Behälter), nicht für Luftfahrzeuge” in die Unterposition xxx KN einzureihen sei. Zu demselben Ergebnis kam die Oberfinanzdirektion X – ZPLA Y in einem Einreihungsgutachten vom 4. Januar 2007, das im Rahmen eines Antrags auf Erstattung vom September 2005 erstellt worden war.

In einem Einreihungsgutachten vom 12. Februar 2008 stellte die Bundesfinanzdirektion – ZPLA eine Einreihung in die Unterposition yyy KN fest. Die ZPLA Y gelangte in einem weiteren Einreihungsgutachten vom 4. Januar 2007 bezüglich einer Einfuhr am 29. August 2005 zu einer Einreihung in die Unterposition xxx KN.

Nach einer Außenprüfung betreffend den Zeitraum vom 25. April 2005 bis 25. Oktober 2007 kam das HZA zu dem Ergebnis, dass die Silikonventile in die Unterposition zzz KN mit einem Zollsatz von 6,5 % einzureihen sind (vgl. Tz. 3.4.1. und Anlage 2 des Prüfungsberichts vom …).

Aufgrund dessen setzte das HZA mit Einfuhrabgabenbescheid vom 22. April 2008 gegen die Klägerin bezüglich der Einfuhren im Zeitraum vom 27. April 2005 bis 28. Juli 2006 weiteren Zoll i.H.v. insgesamt … EUR fest. Davon beruhten … EUR auf der Änderung der zolltariflichen Einreihung, während die übrigen … EUR auf – hier unstreitige – Korrekturen der Zollwerte entfielen.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (vgl. Einspruchsentscheidung vom 5. August 2008) erhob die Klägerin Klage, die sie im Wesentlichen folgendermaßen begründet: Die Sil...

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