Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuerlich kein bereicherungsmindernder Abzug latenter Einkommensteuerbelastung als Nachlassverbindlichkeit
Leitsatz (redaktionell)
Gehören zum Nachlass Wertpapiere, auf die bis zum Todeszeitpunkt des Erblassers noch nicht fällige Zinsansprüche aus Stückzinsen entfallen, so fließen den Erben insoweit später nach § 20 i.V.m. § 11 EStG steuerpflichtige Kapitaleinkünfte zu. Dass die auf diese zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht fälligen Zinsansprüche entfallende latente Einkommensteuerbelastung nicht als bzw. wie eine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 ErbStG anerkannt werden kann, verstößt auch nach Wegfall des § 35 EStG a.F. (aufgehoben ab dem Veranlagungszeitraum 1999) weder gegen grundlegende Besteuerungsprinzipien der Erbschaftsbesteuerung noch gegen Verfassungsrecht.
Normenkette
ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 1, § 11; EStG 1997 § 35; EStG § 20 Abs. 1, § 11 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die erbschaftsteuerrechtliche Berücksichtigung einer latenten Einkommensteuerbelastung auf vererbte Zinsansprüche als bzw. wie eine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetztes (ErbStG).
Der am 20. Dezember 2001 verstorbene Dr. P. L. (im Folgenden: Erblasser) wurde von seinem Bruder Dr. G. L. – dem Kläger – allein beerbt. Im Nachlass befanden sich u.a. Wertpapiere mit einem Kurswert zum Todeszeitpunkt des Erblassers i.H.v. insgesamt 11.972.741,00 DM, auf die bis zum Todeszeitpunkt des Erblassers noch nicht fällige Zinsansprüche aus Stückzinsen i.H.v. 190.354,00 DM entfielen. In seiner Erbschaftsteuererklärung vom 1. November 2002 erklärte der Kläger u.a. Nachlassverbindlichkeiten i.H.v. 97.398,00 DM (= 49.798,80 EUR), die aus der Einkommensbesteuerung auf die bis zum Todeszeitpunkt des Erblassers aufgelaufenen, jedoch erst später fälligen Zinsansprüche aus o.g. Wertpapieren in der Person des Klägers resultierten.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) setzte mit gem. § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Erbschaftsteuerbescheid vom 8. November 2002 die Erbschaftsteuer i.H.v. 4.578.528,00 DM (= 2.340.964,19 EUR) fest, wobei die latente Einkommensteuerbelastung bezüglich der vom Kläger durch Erbanfall erworbenen o.g. Zinsansprüche nicht als Nachlassverbindlichkeit anerkannt wurde. Die entsprechende Berücksichtigung unterbleib auch in den weiterhin gem. § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden geänderten Erbschaftsteuerbescheiden vom 29. November 2002, vom 20. Dezember 2002 und vom 27. Oktober 2003. Im zuletzt erlassenen und gem. § 164 Abs. 2 AO geänderten Erbschaftsteuerbescheid vom 20. September 2004 erkannte das FA erneut die latente Einkommensteuerbelastung auf die zum Todeszeitpunkt des Erblassers noch nicht fälligen Zinsansprüche nicht als bereicherungsmindernde Nachlassverbindlichkeit an und setzte die Erbschaftsteuer i.H.v. 4.792.544,00 DM (= 2.450.388,84 EUR) fest.
Mit Schreiben vom 13. Oktober 2004 legte der Kläger hiergegen Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 8. März 2007, in der unter Verböserung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids vom 20. September 2004 die Erbschaftsteuer auf 4.794.240,00 DM (= 2.451.255,99 EUR) heraufgesetzt wurde, als unbegründet zurückwies. Zur Begründung führte das FA u.a. aus, dass die latente Einkommensteuerbelastung auf die zum Todeszeitpunkt noch nicht fälligen Zinsansprüche keine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 ErbStG darstelle, da es sich insoweit nicht um Schulden des Erblassers handele.
Mit Schriftsatz vom 31. März 2007 – bei Gericht eingegangen am 2. April 2007 – erhob der Kläger hiergegen Klage, die er im Wesentlichen wie folgt begründet: Die latente Einkommensteuerbelastung auf die erworbenen Zinsansprüche müsse – insbesondere nach dem ersatzlosen Entfallen der Regelung des § 35 des Einkommensteuergesetztes (EStG) mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 (im Folgenden: § 35 EStG a.F.) – bereits nach den allgemeinen Besteuerungsgrundsätzen des ErbStG als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 ErbStG berücksichtigt werden, da der Kläger insoweit letztlich nicht bereichert sei. Die vom FA versagte Berücksichtigung verstoße zudem gegen die Verfassung, da sie zum einen willkürlich sei und wegen der Ungleichbehandlung verschiedener Kapitalanlageformen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetztes (GG) verletze. Zum anderen führe die doppelte Belastung der erworbenen und im Todeszeitpunkt des Erblassers noch nicht fälligen Zinsansprüche mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer zu einer übermäßigen steuerlichen Belastung mit erdrosselnder Wirkung, was einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG darstelle. Sc...