Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen. Überentnahmen bei mehrstöckiger Personengesellschaft. betriebsbezogene Betrachtung. Entnahmen und Einlagen im Sinne von § 4 Abs. 4a EStG. Auswirkung der Übertragung einer Rücklage nach § 6b EStG. Eigenkapital
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Beschränkung des § 4 Abs. 4a EStG ist auch bei doppel- und mehrstöckigen Personengesellschaften zu beachten.
2. Die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG ist letztlich in Bezug auf jede Personengesellschaft gesondert zu prüfen. In diesem Rahmen stellt die Entnahme des (handelsrechtlichen) Gewinnanteils der als Kommanditistin an der Untergesellschaft beteiligten Obergesellschaft eine Entnahme dar.
3. Die Übertragung einer Rücklage nach § 6b EStG auf die Untergesellschaft führt nicht zu einer Einlage in das Betriebsvermögen der Obergesellschaft.
4. Der Annahme von Überentnahmen steht nicht entgegen, dass durchweg ein positives Eigenkapital ausgewiesen wird.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 4a, §§ 6b, 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung des Bescheids über den Gewerbesteuermessbetrag für 2009 vom 5. März 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2019 wird der Gewerbesteuermessbetrag 2009 auf 1.659 EUR herabgesetzt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist insbesondere, ob und in welcher Höhe in den Streitjahren 2009 und 2010 zu verzinsende Überentnahmen vorgelegen haben.
Die Klägerin ist eine GmbH & Co KG, die in den Streitjahren u.a. aus dem Groß- und Einzelhandel mit Baustoffen aller Art und Bauelementen Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte. Ihren Gewinn ermittelte sie durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre maßgebenden Fassung –EStG–).
Alleinige Kommanditistin der Klägerin ist die MH KG. Die Komplementär-GmbH ist weder am Vermögen noch am Ergebnis der Klägerin beteiligt. Die Klägerin wiederum war in den Streitjahren jeweils zu 94% als Kommanditistin an der Grundstücksverwaltungsgesellschaft G und an der Grundstücksverwaltungsgesellschaft L beteiligt. Mit weiteren 6% war die Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH als Komplementärin beteiligt.
Mit notariellen Verträgen vom […] 2009 veräußerte die Klägerin im Rahmen eines sogenannten Sale-and-lease-back-Geschäfts ihre Betriebsimmobilien (Baustoffmärkte) in G und L an die Grundstücksverwaltungsgesellschaft G bzw. die Grundstücksverwaltungsgesellschaft L. Auf Grundlage gleichzeitig abgeschlossener Leasingverträge wurden die Grundstücke der Klägerin zur Nutzung überlassen. Für die Erfüllung der Verbindlichkeiten und der Verpflichtungen der Klägerin aus den Leasingverträgen hat die MH KG jeweils eine Mieteintrittsverpflichtung übernommen (Punkt C Ziffer 6 des notariellen Vertrages und Anlage III zum notariellen Vertrag vom […] 2009) und zur teilweisen Finanzierung der Gesamtinvestitionskosten mit Verträgen vom […] 2009 und vom […] 2009 der Grundstücksverwaltungsgesellschaft G ein Darlehen in Höhe von 1.050.000 EUR und der Grundstücksverwaltungsgesellschaft L ein Darlehen in Höhe von 350.000 EUR gewährt (als Mieterdarlehen bezeichnet). Zur Refinanzierung dieser Mieterdarlehen gewährte die Klägerin mit Verträgen vom […] 2009 der MH KG zwei Darlehen in Höhe von insgesamt 1.400.000 EUR. Mit Verträgen vom […] 2009 trafen die Klägerin und die MH KG eine Vereinbarung über die Aufhebung dieser Refinanzierungsdarlehen mit Wirkung zum 31. Dezember 2009. Nach der Vorbemerkung der Aufhebungsvereinbarung sollten die Rückzahlungsansprüche der Klägerin mit Ansprüchen der MH KG auf Auszahlung des auf sie entfallenden Jahresüberschusses der Klägerin zum 31. Dezember 2009 verrechnet werden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Verträge verwiesen.
Bei der Ermittlung ihres im Rahmen der Feststellungserklärung für 2009 erklärten Gewinns machte die Klägerin u.a. Gebrauch von einer Übertragung der bei dem Verkauf der Grundstücke aufgedeckten stillen Reserven in Höhe von 3.622.407,33 EUR nach § 6b EStG auf die Grundstücksverwaltungsgesellschaft G und die Grundstücksverwaltungsgesellschaft L. Mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2009 vom 26. August 2010 stellte das beklagte Finanzamt (FA) den Gewinn aus Gewerbebetrieb für 2009 zunächst erklärungsgemäß auf – 92.511,62 EUR fest. Mit weiterem Bescheid vom 26. August 2010 setzte es den Gewerbesteuermessbetrag dementsprechend auf 0 EUR fest. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Bei der Klägerin wurde für die Jahre 2004 bis 2009 eine Außenprüfung durchgeführt. In seinem Abschlussbericht vom 20. Dezember 2011 kam der Prüfer u.a. zu dem Ergebnis, dass dem erklärten Gewinn für 2009 außerbilanziell nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbare Schuldzinsen in Höhe von 47.254 EUR hinzuzurechnen seien. Diese beruhte...