Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Klage gegen den Widerruf einer verbindlichen Auskunft. Anerkennung einer Organschaft zwischen einer Eigengesellschaft (GmbH) als Organgesellschaft und einem ohne Beteiligungserträge der GmbH dauerdefizitären Betrieb gewerblicher Art als Organträger
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Anerkennung einer körperschafts- und gewerbesteuerlichen Organschaft zwischen einem Betrieb gewerblicher Art (BgA) als Organträger und einer Eigengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH als Organgesellschaft setzt eine Gewinnerzielungsabsicht des BgA voraus. Bei der Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht des BgA sind mögliche Ausschüttungen der Eigengesellschaft, deren Anteile zum notwendigen Betriebsvermögen des BgA gehören, ebenso wie stille Reserven der Eigengesellschaft zwingend zu berücksichtigen.
2. Beim Bestehen einer Betriebsaufspaltung zwischen BgA (Besitzunternehmen) und der Eigengesellschaft (Betriebsunternehmen) schlägt die Gewinnerzielungsabsicht der Eigengesellschaft nicht auf den BgA durch.
3. Der Widerruf einer verbindlichen Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO zur Frage der Begründung einer Organschaft zwischen einem BgA und der Eigengesellschaft ist als Verwaltungsakt i.S. von § 118 AO anzusehen, wenn die Auskunft zu einem Zeitpunkt erteilt wurde, zu dem noch keine Dispositionen getroffen wurden, der Widerruf jedoch zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft durch das in Kraft treten des Gewinnabführungsvertrages bereits eingetreten ist. Hiergegen ist – nach Erfolglosigkeit des Einspruchsverfahrens – die Anfechtungsklage statthaft.
4. Die für verbindliche Zusagen nach § 204 ff. AO geltende Regelung in § 207 Abs. 2 und 3 AO ist auch für die Rücknahme und den Widerruf der verbindlichen Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO entsprechend anwendbar.
5. Der Widerruf einer verbindlichen Auskunft mit Wirkung für die Zukunft ist in der Regel dann ermessensgerecht, wenn sich der Inhalt der Auskunft als materiell-rechtlich unzutreffend und damit als rechtswidrig erweist. Der Widerruf einer rechtmäßigen verbindlichen Auskunft bedarf hingegen einer besonderen Legitimation und kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige sein Vertrauen noch nicht betätigt hat und er kein besonderes steuerliches Interesse an der verbindlichen Auskunft darlegen kann.
Normenkette
KStG § 14 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 1 S. 2; EStG § 15 Abs. 2 S. 1; GewStG § 2 Abs. 1 S. 2; FGO § 40 Abs. 1; AO § 89 Abs. 2, § 207 Abs. 2-3, § 118 Abs. 1; UmwG § 123 Abs. 3 Nr. 2, § 124
Nachgehend
Tenor
1. Der Widerruf der verbindlichen Auskunft vom 29. August 2005 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2006 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Klägerin ist die … mit ihrem Betrieb gewerblicher Art ….
Bis zum 31. Dezember 1997 umfasste der Eigenbetrieb … die Betriebssparten …. Dieser bildet einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) nach § 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG). Mit Beschluss der … vom … wurde der bisherige Eigenbetrieb … gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 in Verbindung mit § 124 Umwandlungsgesetz (UmwG) ausgegliedert und auf die neu gegründete Eigengesellschaft S-GmbH übertragen. Die S-GmbH wurde am …1998 ins Handelsregister eingetragen. Als handelsrechtlicher Umwandlungsstichtag gilt der 31. Dezember 1997.
Die bis zum …1998 bereits fertig gestellten und in Betrieb befindlichen …Anlagen sind als Teilbetrieb nach § 20 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) vom BgA gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die S-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter die Klägerin ist, eingebracht. Nicht eingebracht wurden die zu diesem Zeitpunkt noch in Bau befindlichen …Anlagen der Klägerin. Diese verblieben im Betriebsvermögen des BgA. Sie wurden nach Fertigstellung im Rahmen des verbliebenen BgA an die S-GmbH verpachtet.
Zwischen dem BgA und der S-GmbH besteht gemäß einer verbindlichen Auskunft des beklagten Finanzamts vom …1998 seit Beginn der Verpachtung der …Anlagen eine Betriebsaufspaltung. Sämtliche GmbH-Anteile an dem Betriebsunternehmen S-GmbH wurden damit notwendiges Betriebsvermögen des BgA als Besitzunternehmen.
Neben der Verpachtung der …Anlagen erbringt der BgA Dienstleistungen gegenüber Dritten im Bereich …, ähnlich einem Ingenieurbüro. Hinsichtlich der vor dem 31.12.1997 fertig gestellten…Anlagen besteht ein Baubetreuungsvertrag mit der S-GmbH.
Die Betriebssparten … wurden später teilweise aus der S-GmbH ausgegliedert und auf zwei 100%-ige Tochtergesellschaften der S-GmbH, die …GmbH (zum 1.1….) und die …mbH (zum 1.1…) übertragen. Zwischen der S-GmbH und diesen Tochtergesellschaf...