Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Leistungsaustausch bei Verzicht auf Vertragserfüllung gegen Zahlung einer Ersatzleistung
Leitsatz (redaktionell)
Wird ein Beratungsvertrag im gegenseitigen Einvernehmen gegen Zahlung einer Ersatzleistung zur Abgeltung der um ersparte Aufwendungen geminderten Vergütungsansprüche aus diesem Vertrag vorzeitig aufgelöst, stellt die Ersatzleistung kein Entgelt für eine steuerbare Leistung dar.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9
Gründe
I.
Streitig ist, ob die im Zusammenhang mit der Änderung eines Vertrags erfolgte Zahlung für sog. entgangenen Gewinn Entgelt für eine steuerbare Leistung darstellt.
Die Klägerin, eine Steuerberatungsgesellschaft mbH, schloß im Jahr 1989 mit der … Bauträger KG …) einen Beratungsvertrag. Danach hatte die Klägerin weitreichende Beratungsleistungen im Zusammenhang mit den von der Bauträger KG angebotenen Bauträgerobjekten zu erbringen, für die die Klägerin eine vertraglich vereinbarte Vergütung erhielt. Eine Kündigung des Beratungsvertrags wurde für die Zeit bis zum 31. Dezember 1992 ausgeschlossen.
Aufgrund zwischenzeitlich eingetretener wirtschaftlicher Schwierigkeiten konnte jedoch die Bauträger KG an dem Beratungsvertrag nicht für die gesamte vorgesehene Laufzeit festhalten. Die Vertragsparteien kamen deshalb mit sog. Aufhebungsvertrag vom 25./28. Januar 1991 überein, den Beratungsvertrag mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Weiter wurde vereinbart, daß die Bauträger KG der Klägerin pauschal einen Betrag von 240.000 DM als Gegenleistung für die erbrachten und noch nicht abgerechneten Beratungsleistungen und für die Bereitschaft der Klägerin, den Vertrag vorzeitig aufzuheben, zahlt. Bei der Festsetzung des Betrags von 240.000 DM gingen die Parteien davon aus, daß der Klägerin aus den bereits von ihr erbrachten Leistungen für das Objekt … eine Honorarforderung in Höhe von 1 % der Kaufpreise der zum 31. Dezember 1990 aus diesem Objekt verkauften Wohneinheiten zustehe, d. h. 92.674,73 DM und der Restbetrag von 147.325,27 DM auf den sog. entgangenen Gewinn der Jahre 1991 und 1992 entfallen solle. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Aufhebungsvertrag Bezug genommen.
Die Klägerin behandelte den für den entgangenen Gewinn der Jahre 1991 und 1992 erhaltenen Betrag von 147.325,27 DM in ihrer Umsatzsteuererklärung 1991 als nicht steuerbaren Schadensersatz.
Nach Auffassung der Betriebsprüfung (vgl. Bericht vom 11. September 1995) handelt es sich dagegen bei dem genannten Betrag um Entgelt für einen Anspruch auf Erfüllung bzw. um die vereinbarte Vergütung. Diese unterliege daher der Umsatzsteuer.
Dem folgend setzte der Beklagte (das Finanzamt) mit Steueränderungsbescheid vom 20. Oktober 1995 die Umsatzsteuer 1991 au … DM fest. Dabei rechnete es aus dem streitigen Betrag von 147.325,27 DM Umsatzsteuer in Höhe von 18.092 DM heraus.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In seiner Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 1997 führt das Finanzamt aus, daß die Bereitschaft der Klägerin, auf die Erfüllung des Beratungsvertrags bis zum Ende der vorgesehenen Laufzeit zu verzichten, eine steuerpflichtige sonstige Leistung darstelle. Die Klägerin habe mit dem Aufhebungsvertrag auf eine Rechtsposition, nämlich auf die Vertragserfüllung zu bestehen, verzichtet. Als Gegenleistung für diesen Verzicht habe sie den hier streitigen Betrag erhalten. Da somit ein Leistungsaustausch vorliege und der Beratungsvertrag in gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst worden sei, könne es sich bei der Zahlung nicht um einen echten Schadensersatz handeln.
Die Klägerin führt dagegen zur Begründung ihrer Klage aus, daß es sich bei dem streitigen Betrag um eine sog. Annulierungsentschädigung entsprechend der Regelung des § 649 des Bürgerlichen Gesetzbuches handele. Diese Entschädigung sei keine Gegenleistung für eine umsatzsteuerliche Leistung. Sie, die Klägerin, habe aufgrund des Aufhebungsvertrags gerade keine Leistungen mehr zu erbringen gehabt und dies auch nicht getan. Durch die vorzeitige Beendigung des Beratungsvertrags sei ihr aber ein Schaden entstanden, der von der Bauträger KG habe ausgeglichen werden müssen. Der genannte Betrag stelle ein angemessenes Äquivalent für den Verzicht auf Einkünfte dar. Die Bauträger KG habe die Entschädigung nicht dafür gezahlt, daß sie entsprechende Leistungen für bearbeitete Objekte bezogen habe, sondern allein dafür, daß sie aus der Verpflichtung, den Vertrag zu erfüllen, also die Beratungsleistungen abnehmen zu müssen, befreit worden sei.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Steueränderungsbescheids vom 20. Oktober 1995 und der Einspruchsentscheidung die Umsatzsteuer 1991 auf … festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt Klageabweisung und für den Fall der Klagestattgabe die Zulassung der Revision.
Zur Klageerwiderung verweist es auf seine Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, daß für den Streitfall die Rechtsfrage zu klären sei, ob der Verzicht auf die Leistungserfüllung ein Vorgang sei, der unter die Mehrwertsteuer als allgemeine Verbrauchssteuer...