Entscheidungsstichwort (Thema)
Kraftfahrzeugsteuer für ein von einer Zwangsverwaltung erfasstes KFZ des Insolvenzschuldners ist keine Masseverbindlichkeit, sondern gegenüber dem Zwangsverwalter geltend zu machen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die von dem Zwangsverwalter bei der Ausübung seines Amtes begründeten positiven und negativen Steueransprüche sind von ihm und gegen ihn geltend zu machen. Der Zwangsverwalter hat insoweit gemäß § 34 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 AO die Pflichten des Vollstreckungsschuldners zu erfüllen.
2. Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so bleibt die Zwangsverwaltung, d.h. die Verwaltung und Benutzung der beschlagnahmten Gegenstände durch den Verwalter der Zwangsverwaltung, bestehen. Zwangsverwaltung und Insolvenzverfahren laufen parallel. Dementsprechend erstreckt sich auch die Verwaltung des Insolvenzverwalters nicht auf die zwangsverwalteten Gegenstände.
3. Eine im Alleineigentum des Insolvenzschuldners stehende Zugmaschine, die den insgesamt unter Zwangsverwaltung gestellten landwirtschaftlichen Flächen dient und mit diesen in einem räumlichen Zusammenhang steht, unterliegt als Zubehör ebenfalls der Zwangsverwaltung. Die Kraftfahrzeugsteuer für diese Zugmaschine ist nicht durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet worden und damit keine Masseverbindlichkeit. Der Steuerbescheid ist an den Zwangsverwalter zu richten.
Normenkette
KraftStG § 7 Nr. 1; AO § 34 Abs. 1, 3; InsO § 80 Abs. 1, 2 S. 2, §§ 35, 55 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 1120, 1192 Abs. 1, § 98 Nr. 2; ZVG § 145 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid über die Kraftfahrzeugsteuer vom 11. Juli 2007 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 1. Februar 2008 wird dahin gehend abgeändert, dass die Kraftfahrzeugsteuer vom 1. April 2007 bis 1. Juli 2007 auf 0 EUR festgesetzt wird.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit Beschluss vom 1. April 2007 eröffnete das Amtsgericht …, Insolvenzgericht, über das Vermögen des F. (Insolvenzschuldner) das Insolvenzverfahren und bestimmte zugleich den Kläger zum Insolvenzverwalter.
Bereits mit Beschluss vom 2. Oktober 2006 hatte das Amtsgericht …, Vollstreckungsgericht, aufgrund einer Grundschuld die Zwangsverwaltung von im Eigentum des Insolvenzschuldners und dessen Ehefrau stehenden landwirtschaftlichen Grundstücken (Wohngebäude, Garten, Ackerland, Grünland, Hutung, Landwirtschaftsfläche) angeordnet. Diese Zwangsverwaltung dauerte bis 27. Juli 2010 an.
Auf den Insolvenzschuldner war die in seinem Alleineigentum stehende, landwirtschaftliche Zugmaschine mit dem amtlichen Kennzeichen … zugelassen. Die Zugmaschine diente den oben genannten landwirtschaftlichen Grundstücken und stand mit diesen in einem räumlichen Zusammenhang. Als Verwalterin wurde eine Rechtsanwältin bestimmt.
Diese Zugmaschine wurde zu keinem Zeitpunkt vom Kläger im Rahmen der Insolvenzverwaltung für die Insolvenzmasse genutzt.
Aufgrund der Insolvenzeröffnung ging der Beklagte (das Finanzamt – FA –) davon aus, dass nunmehr der Kläger als Insolvenzverwalter Schuldner der Kraftfahrzeugsteuer sei und versandte am 23. Mai 2007 einen entsprechenden Bescheid.
Am 2. Juli 2007 wurde die Zugmaschine bei der Zulassungsstelle stillgelegt. Mit nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) geänderten Bescheid vom 11. Juli 2007 setzte das FA die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 1. April 2007 bis 1. Juli 2007 auf 37 EUR fest.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 2. August 2007 Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, die Zugmaschine befinde sich auf dem vom Amtsgericht … unter Zwangsverwaltung stehenden landwirtschaftlichen Flächen des Insolvenzschuldners. Demnach gehöre sie nach § 1120 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zum Haftungsverband.
Aufgrund dieser Zwangsverwaltung sei die Zugmaschine von der Zwangsverwaltungsbeschlagnahme erfasst worden und somit nicht Bestandteil der Insolvenzmasse. Nur bei der Zugehörigkeit des Fahrzeugs zur Insolvenzmasse bzw. Nutzung durch den Insolvenzverwalter könne eine Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer gegenüber dem Insolvenzverwalter in Betracht kommen.
Das FA hat den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 1. Februar 2008 zurückgewiesen.
Am 3. März 2008 erhob der Kläger Klage.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid über die Kraftfahrzeugsteuer vom 11. Juli 2007 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 1. Februar 2008 dahin gehend abzuändern, dass die Kraftfahrzeugsteuer vom 1. April 2007 bis 1. Juli 2007 auf 0 EUR festgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist das FA auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, die Zugehörigkeit der Zugmaschine zur Grundstückszwangsverwaltung sei nicht nachgewiesen, zumal das Fahrzeug kein grünes Kennzeichen gehabt habe und der Insolvenzschuldner selbst das Fahrzeug abgemeldet habe.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Zu Unrecht hat das FA den Bescheid über die Kraftfahrzeugsteuer vom 1. April...