Entscheidungsstichwort (Thema)
Differenzierung des bestimmten Sachverhalts nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO von den mehrfachen Möglichkeiten zu seiner rechtlichen Beurteilung. Herabsetzung der Schenkungsteuer auf 0 EUR als ersatzlose Aufhebung nach § 174 Abs. 4 S. 1 AO. Mehrfachkorrektur nach § 174 Abs. 4 AO. Behandlung einer vGA im Schenkungsteuerrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Verpachtet der Vater des alleinigen Gesellschaftergeschäftsführers einer GmbH der GmbH drei Grundstücke zu einem unangemessen hohen Pachtzins, stellt sich die Frage, ob nun schenkungsteuerrechtlich eine freigebige Zuwendung an den Vater durch den Gesellschafter oder vielmehr durch die Kapitalgesellschaft selbst vorliegt, lediglich als rechtliche Schlussfolgerung des Vorgangs, aber nicht als zwei voneinander zu unterscheidende Sachverhalte i. S. d. § 174 Abs. 4 S. 1 AO dar.
2. Dem Umstand, dass der Beklagte die Schenkungsteuer auf 0 Euro herabgesetzt hat, anstatt den Schenkungsteuerbescheid richtigerweise ersatzlos aufzuheben, kommt in Bezug auf die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 174 Abs. 4 S. 1 AO keine Bedeutung zu.
3. Die Korrekturvorschrift des § 174 Abs. 4 AO enthält keine Einschränkung dahingehend, dass die Korrekturvorschrift nicht mehrfach auf einander folgend zur Anwendung gelangen kann. Dies begegnet dann keinen rechtlichen Bedenken, wenn die auf einander folgenden Änderungen auf unterschiedlichen „Irrtümern” beruhen, weil sich zum einen über den Schenkungszeitpunkt und zum anderen über die Person des Schenkers geirrt wird.
4. Eine gemischte freigebige Zuwendung ist auch bei einem Sachverhalt gegeben, der ertragsteuerrechtlich als vGA aus einer Kapitalgesellschaft zu behandeln ist. Wird der durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vorteil nicht dem Gesellschafter selbst, sondern einer ihm nahe stehenden Person gewährt, wird die (schenkungsteuerrechtliche) Zuwendung durch die Kapitalgesellschaft an die dem Gesellschafter nahe stehende Person erfolgt.
Normenkette
AO § 174 Abs. 4 S. 1; KStG § 8 Abs. 3 S. 2; ErbStG § 7
Nachgehend
Tenor
1. Der Schenkungsteuerbescheid vom 20. Juni 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2009 wird dahingehend geändert, dass die Schenkungsteuer auf 213.701 DM, d.h. umgerechnet auf 109.263,59 EUR, herabgesetzt wird.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 8/10 und der Beklagte zu 2/10.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten zwischenzeitlich hauptsächlich darüber, ob der Beklagte aus verfahrensrechtlichen Gründen befugt war, den klagegegenständlichen Schenkungsteuerbescheid gegen den Kläger zu erlassen. In der Sache geht es um die Frage, ob und in welcher Höhe der Kläger infolge einer verdeckten Gewinnausschüttung aus einer Kapitalgesellschaft eine freigebige Zuwendung im schenkungsteuerrechtlichen Sinn erhalten hat.
Der Kläger ist Alleineigentümer der bebauten Grundstücke in A, …straße 12 und 14 sowie …straße 3. Mit Vertrag vom 17. Juni 1991 verpachtete er das erste der genannten drei Grundstücke an die Fa. X GmbH … mit Sitz in A (im Weiteren GmbH). Alleingesellschafter und Geschäftsführer der GmbH war und ist Y, der Sohn des Klägers. Im Zuge der Expansion des Geschäftsbetriebs der GmbH pachtete diese mit Vertrag vom 30. November 1996 mit Wirkung ab dem 1. Dezember 1996 vom Kläger auch die beiden weiteren Grundstücke an. Der nunmehr alle drei Grundstücke betreffende und neu gefasste Pachtvertrag wurde befristet mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 2006 zuzüglich einer dem Kläger eingeräumten Verlängerungsoption über zweimal fünf Jahre abgeschlossen. Insgesamt wurde nunmehr für die Gesamtfläche von 17.000 m² ein deutlich höherer Pachtzins von monatlich 44.500 DM, d.h. von jährlich 534.000 DM, vereinbart. Im Jahre 2002 führte das Finanzamt B bei der GmbH betreffend die Veranlagungszeiträume 1997 bis 1999 eine Außenprüfung durch. Der Betriebsprüfer hielt den in den genannten Zeiträumen an den Kläger gezahlten Pachtzins für unangemessen hoch und nahm deswegen eine verdeckte Gewinnausschüttung der GmbH an ihren Gesellschafter von 200.000 DM pro Jahr an. Zudem teilte er diesen Sachverhalt unter Hinweis auf einen wegen des Vorteilserwerbs durch den Kläger auch schenkungsteuerrechtlich bedeutsamen Tatbestand dem Beklagten mit. Auf dessen Aufforderung hin gab der Kläger für die Jahre 1997 bis 1999 jeweils eine Schenkungsteuererklärung ab, die er dahingehend ausfüllte, keine Schenkungen erhalten zu haben. Am 22. Mai 2002 änderten der Kläger und die GmbH den Pachtvertrag dahingehend, dass der für das Kalenderjahr 2002 vereinbarte jährliche Pachtzins auf 198.088,12 EUR ver...