Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausbildung zum Rettungshelfer als erstmalige Berufsausbildung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist enger auszulegen als das in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG verwendete Merkmal der Berufsausbildung.

2. Eine „erstmalige Berufsausbildung” i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG erfordert jedoch keine zeitliche Mindestkomponente der absolvierten Ausbildungsmaßnahme.

3. Ausbildungsmaßnahmen, die im Rahmen eines Freiwilligendienstes erfolgen (z.B. zum Rettungshelfer) erfolgen, stellen „erstmalige Berufsausbildungen” dar.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 6, § 32 Abs. 4

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung des Sohnes des Klägers beim Kindergeld als Kind nach § 63 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 32 Abs. 1 u. Abs. 4 EStG.

Der Kläger erhielt zunächst laufend Kindergeld für seinen Sohn B. X. (geb. xx.xx.2000).

Der Sohn absolvierte von Februar 2019 bis August 2019 einen Bundesfreiwilligendienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG) beim Malteser Hilfsdienst. Zeitlich während des Bundesfreiwilligendienstes nahm der Sohn an einem Ausbildungslehrgang für Rettungshelferinnen und Rettungshelfer teil. Am xx.07.2019 bestand der Sohn die staatliche Prüfung nach der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter sowie Rettungshelferinnen und Rettungshelfer vom 04.12.2017 (RettAPO 2017; GV. NRW. 2017, 919).

Bei diesem Ausbildungslehrgang zum Rettungshelfer handelt es sich gem. § 1 Abs. 2 RettAPO 2017 um ein 160-Stunden-Programm (80 Stunden theoretische Ausbildung; 80 Stunden praktische Ausbildung), bei dem die Ausbildung darauf ausgerichtet ist, dass der Rettungshelfer nach Abschluss als Fahrer und Unterstützer der Rettungssanitäter beim Krankentransport tätig wird. Hinsichtlich der Inhalte des Ausbildungslehrgangs verweist § 1 Abs. 2 Nr. 1 u. Nr. 2 RettAPO 2017 auf die Anlagen 4 und 5 zur RettAPO 2017, auf die Bezug genommen wird.

Im Anschluss an das vorzeitige Ende des Bundesfreiwilligendienstes im August 2019 begann der Sohn zunächst eine Ausbildung zum Mechatroniker bei der C.-AG. Diese Ausbildung wurde im Dezember 2019 nach Kündigung durch die Ausbildungsstelle vom xx.12.2019 vorzeitig beendet.

Ab Dezember 2019 bewarb sich der Sohn des Klägers bei verschiedenen Ausbildungsstellen für eine Ausbildung zum Notfallsanitäter. Zudem arbeitete der Sohn nach Aufhebung des Ausbildungsverhältnisses im Dezember 2019 daneben zunächst bei der Firma D. – Abschleppunternehmen in E. in Vollzeit. Das Arbeitsverhältnis wurde im März 2020 beendet.

Ab Januar 2021 begann der Sohn eine Vollzeittätigkeit beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in F. Nach dem Arbeitsvertrag wurden ihm die Aufgaben eines Sanitätshelfers und Fahrers mit Verwaltungstätigkeiten im ärztlichen Notfalldienst übertragen. Hierfür erhielt er eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 2.000,00 Euro. Ab September 2022 wechselte er zum Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) in E. und arbeitete dort mit vergleichbarer Tätigkeit in Vollzeit.

Am xx.11.2022 bestand der Sohn des Klägers zudem die staatliche Prüfung zum Rettungssanitäter nach der RettAPO 2017.

Die Beklagte hob am 06.02.2023 die Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn des Klägers ab März 2023 auf. Die Beklagte stützte die Entscheidung zunächst darauf, dass nach Aktenlage die Suche nach einem Ausbildungsplatz im Monat Februar 2023 beendet worden sei.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 01.03.2023 Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass sein Sohn auch ab März 2023 weiterhin ausbildungssuchend sei und er bisher keine Ausbildung abgeschlossen habe. Er habe sich im Oktober 2022 bei seinem aktuellen Arbeitgeber ASB E. ebenfalls für eine Ausbildungsstelle als Notfallsanitäter beworben. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wurden von Seiten des Klägers Unterlagen bzgl. der Ausbildungsbemühungen des Sohnes eingereicht.

Mit Einspruchsentscheidung vom 24.04.2023 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG grundsätzlich auch ab März 2023 vorlägen. Einer Berücksichtigung stehe jedoch § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entgegen, da der Sohn bereits im Juli 2019 eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen habe und seit 2021 einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit nachgehe, was gem. § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG eine für die Berücksichtigungsfähigkeit eines Kindes schädliche Erwerbstätigkeit darstelle.

Eine Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG liege vor, wenn das Kind durch eine berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erworben habe, die zur Aufnahme eines Berufs befähigten. Voraussetzung sei, dass der Beruf durch eine Ausbildung im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgangs erlernt worden sei und der Ausbildungsgang durch eine Prüfung abgeschlossen worden sei. Erstmalig sei eine Berufsausbildung dann, wenn keine ander...

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