vorläufig nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld zwischen zwei Ausbildungsabschnitten einer mehraktigen Ausbildung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Vollzeiterwerbstätigkeit in der Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten einer einheitlichen erstmaligen Ausbildung ist für den Kindergeldanspruch unschädlich, wenn die Berufstätigkeit lediglich der Überbrückung dient und nicht Voraussetzung für die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnitts ist (Rev. III R 13/24).

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c, S. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für den Sohn des Klägers neben einer Vollzeiterwerbstätigkeit ein Anspruch auf Kindergeld unter dem Aspekt der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz (§ 32 Abs. 4 Nr. 2 c) EStG) besteht oder ob dem Anspruch ein dreimonatiger Lehrgang des Sohnes als Rettungssanitäter als abgeschlossene Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entgegensteht.

Der am 9. Oktober 1998 geborene Sohn des Klägers (N), durchlief nach der Beendigung der Schulzeit in 2016 zunächst verschiedene Praktika und absolvierte von Dezember 2016 bis Mai 2018 einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) als Rettungssanitäter. Im Rahmen des BFD nahm N zunächst an einem rd. einwöchigen Lehrgang zum Sanitätshelfer teil und absolvierte zwischen Oktober 2017 und Juli 2018 einen insgesamt rd. dreimonatigen Lehrgang zum Rettungssanitäter.

Seit September 2018 war N im Krankentransport zunächst für ein Universitätsklinikum und anschließend bei einem Rettungsdienst berufstätig in Vollzeit.

N bewarb sich seit März 2018 durchgehend für die Ausbildung als Notfallsanitäter. Zum 1. September 2022 nahm er die Ausbildung zum Notfallsanitäter auf.

Der Kläger erhielt für N im Hinblick auf die laufenden Bewerbungen für die Ausbildung zum Notfallsanitäter durch das seinerzeit zuständige NLBV weiterhin Kindergeld. Die Beklagte gewährte ebenfalls im Hinblick auf die Bewerbungsbemühungen zunächst weiterhin Kindergeld.

Mit Bescheid vom 6. Oktober 2021 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes ab November 2021 auf. Einen erneuten Antrag des Klägers vom 9. Oktober 2021 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. November 2021 ab. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass der Kläger zwar ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht habe, dass N sein Berufsziel "Notfallsanitäter“ noch nicht erreicht habe und sich ausreichend um die Ausbildung zum Notfallsanitäter bemüht habe. Es liege eine mehraktige Berufsausbildung vor. Der enge zeitliche Zusammenhang bleibe durch die ausreichend nachgewiesenen Bewerbungsbemühungen bestehen.

Schädlich sei jedoch die neben den Bewerbungsbemühungen aufgenommene Vollzeiterwerbstätigkeit, in der N im erlernten Beruf Vollzeit beschäftigt gewesen sei. Damit stehe die Berufstätigkeit im Vordergrund, die Übergangszeit könne nicht mehr als Ausbildungszeit im Rahmen einer mehraktigen Ausbildung berücksichtigt werden.

Gegen den Ablehnungsbescheid wendet sich der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der vorliegenden Klage.

Er vertritt die Auffassung, der Kindergeldanspruch ergebe sich auch im Streitzeitraum aus § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) EStG, weil N sich zwar nicht in Ausbildung befunden habe, aber nach wie vor intensiv auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz für die Ausbildung zum Notfallsanitäter gewesen sei.

Dem Bemühen um einen Ausbildungsplatz stehe die Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht entgegen. Die Berufstätigkeit im Krankentransport als Rettungssanitäter sei unschädlich, weil N zuvor noch keine Berufsausbildung abgeschlossen habe. Die dreimonatige Ausbildung zum Rettungssanitäter sei keine Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes. Für die Definition des Begriffs der Berufsausbildung könne auf § 9 Abs. 6 Satz 2 EStG abgestellt werden, wonach eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten erforderlich sei.

N habe sich nach wie vor hartnäckig um einen Ausbildungsplatz bemüht. Die Berufstätigkeit im Krankentransport beeinträchtige die Bewerbungsbemühungen nicht. Vielmehr erhöhten sich dadurch die Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Zwischen den Ausbildungsabschnitten bestehe ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang, den die Beklagte auch nicht in Abrede stelle.

Zwar habe der BFH in seinem "Sanitäter-Urteil“ vom 27. Oktober 2011 (VI R 52/10, BStBl II 2012, 825) für das Jahr 2005 entschieden, dass die Ausbildung zum Rettungssanitäter als erstmalige Berufsausbildung i.S.d. § 12 Nr. 5 EStG anzusehen sei und der Begriff der erstmaligen Berufsausbildung keine bestimmte Ausbildungsdauer erfordere. Diese Entscheidung habe, wie das spätere Flugbegleiterin-Urteil vom 28. Februar 2013 (VI R 6/12) den Abzug von Werbungskosten betroffen. Die zugrundeliegende Rechtslage sei durch die Änderung des § 9 Abs. 6 EStG mit Wirkung ab 1. Januar 2015 dahingehend geändert worden, dass eine Berufsausbildung als Erstausbildung nur vorliegt, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bei vollzeitiger Ausbildung mi...

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