Entscheidungsstichwort (Thema)
Anteilsübertragung gegen vorzeitige Zahlung
Leitsatz (redaktionell)
1) Vereinbaren Gesellschafter einer GbR, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, dass der Anteil des zukünftig Ausscheidenden zu einem bestimmten Betrag auf den Steuerpflichtigen übergehen soll und zahlt der Steuerpflichtige daraufhin sofort einen abgezinsten Betrag an den Mitgesellschafter, so entsteht beim Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Ausscheidens des Mitgesellschafters ein als Sonderbetriebseinnahme zu erfassender Zinsertrag.
2) Das Finanzamt ist nicht daran gehindert, von einer im Betriebsprüfungsbericht getroffenen Feststellung abzuweichen, wenn dieser keine tatsächliche Verständigung oder Zusage i.S.v. § 204 AO und auch keine sonstige nach den Grundsätzen von Treu und Glauben bindende Zusage zugrunde liegt.
Normenkette
EStG §§ 11, 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 4 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Behandlung eines Vorgangs, bei dem eine Abfindung für einen Gesellschaftsanteil vorzeitig gezahlt wurde.
Der Kläger, dessen Ehefrau G und der Beigeladene zu 1.) (K.) waren Gesellschafter der Beigeladenen zu 2.), einer in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgeübten Steuerberatersozietät (fortan: GbR). Aus der GbR erzielten die Gesellschafter Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit. Der Gewinn der GbR wurde nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt. Mit schriftlichem Gesellschaftsvertrag vom 09.04.1992 trafen die Gesellschafter der GbR u. a. folgende Vereinbarungen:
„§ 10 Ausscheiden und Abfindung
1. Mit Vollendung des 65. Lebensjahres scheidet jeder Sozius aus der Sozietät aus.
(…)
3. Scheidet Frau G oder Herr K aus, so geht deren Sozietätsanteil allein auf Herrn B über. (…)
4. Ein ausscheidender Sozius erhält den Buchwert seines Kapitalkontos und seinen Anteil an den bereinigten Forderungen nach Verrechnung mit den anteilmäßigen Verbindlichkeiten ausgezahlt. Abweichend von den bisherigen sozietätsvertraglichen Vereinbarungen wird auf Ersuchen des Herrn K dem ausscheidenden Sozius von dem den Sozietätsanteil erwerbenden Sozius ein Anteil am Geschäftswert nach näherer Bestimmung der folgenden Regelung vergütet.
5. Regelung K
a) Auf ausdrückliches Ersuchen des Herrn K wird vereinbart, dass er mit seinem Ausscheiden am 28.05.2002 von Herrn B eine anteilige Vergütung des Geschäftswerts von DM 325.000,– erhält, was unter Berücksichtigung eines jährlichen Zinses von 8% und Zinseszinsen heute einem Barwert von rund DM 150.000,– entspricht.
Auf weiteres ausdrückliches Ersuchen des Herrn K erklärt sich Herr B schon heute bereit, Herrn K vorzeitig den vereinbarten anteiligen Geschäftswert mit seinem Barwert von DM 150.000,– in bar zu vergüten.
Der Betrag ist wie folgt fällig:
DM |
20.000,– am 10.04.1992 |
DM |
130.000,– am 30.04.1992 |
und auf folgendes Konto des Herrn K zu überweisen: (…)
Herr K gestattet Herrn B den Betrag von DM 150.000 über die Sozietätskonten zu finanzieren und dafür mit allen Sozien gesamtschuldnerisch zu haften.
Die Sozien sind sich einig darüber, dass Herr K mit seinem Ausscheiden die Abfindung auf den Geschäftswert mit DM 325.000,– als Veräußerungsgewinn zu versteuern hat und dass Herr B diesen Betrag in gleicher Höhe abschreiben kann. (…)”
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag vom 09.04.1992 Bezug genommen.
Der Kläger zahlte im April 1992 den als Abfindung vereinbarten Betrag in Höhe von 150.000,– DM an K. Die erste Zahlung erfolgte am 06.04.1992 in Höhe von 20.000 DM, die zweite Zahlung am 24.04.1992 in Höhe von 130.000 DM.
Mit Vollendung des 65. Lebensjahres schied K. zum 28.05.2002 aus der GbR aus. Das zum Zeitpunkt des Ausscheidens negative Kapitalkonto des K. glich dieser später aus.
Mit Bescheid vom 02.08.2004 stellte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen für die GbR für 2002 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gesondert und einheitlich fest. Die Einkünfte wurden den Gesellschaftern anteilig zugerechnet. Erklärungsgemäß wurden im Bescheid bei K. ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 166.170,– EUR angesetzt. Weiter wurden bei ihm Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 89.477,– EUR (175.000,– DM) berücksichtigt. Den in der Gewinnermittlung beim Kläger geltend gemachten Abschreibungsbetrag auf den Praxiswert (116.170 EUR/325.000 DM) in Höhe von 32.322,– EUR erkannte der Beklagte an. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
In der Zeit vom 30.11.2006 bis zum 22.03.2007 führte der Beklagte bei der GbR eine Betriebsprüfung durch, welche die Jahre 2002 bis 2004 zum Gegenstand hatte. In ihrem Prüfungsbericht vom 08.06.2007 gelangte die Prüferin u.a. zu dem Ergebnis, dass der Kläger als Gesellschafter der GbR den von dem ausgeschiedenen Gesellschafter K. erworbenen Praxiswert auf eine Nutzungsdauer von viereinhalb Jahren „im Sonderbereich” abschreiben dürfe. Der bisher berücksichtigte Abzinsungsbetrag als Sonderbetriebsaus...