Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortsetzunge des Einspruchsverfahrens - Ruhen des Finanzgerichtsverfahrens - Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes bei der Vermögensteuer
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Entscheidung des FA, ein die Vermögensbesteuerung auf den 1.1.1996 betreffendes Einspruchsverfahren fortzusetzen, ist ermessensgerecht, wenn zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung zwar noch weitere Verfahren beim BVerfG und BFH anhängig sind, aus bereits ergangenen Entscheidungen dieser Gerichte sich jedoch ergibt, dass das mit dem Grundgesetz nicht vereinbare Vermögensteuerrecht bis zum 31.12.1996 weiterhin anwendbar sein soll.
2) Die Aussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens kommt bei dieser Entscheidungslage ebenfalls nicht in Betracht.
3) Der Halbteilungsgrundsatz ist nicht verletzt, wenn die steuerliche Gesamtbelastung in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen öffentlicher und privater Hand liegt. Vergleichsmaßstab ist die Summe aus Einkommensteuer und Vermögensteuer im Verhältnis zum Gesamtbetrag der Einkünfte, wobei Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer nicht in den Belastungsvergleich einzubeziehen sind.
Normenkette
AO § 363 Abs. 2 Sätze 2, 4; FGO § 74
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Festsetzung der Vermögensteuer (VSt) auf den 01.01.1996 der sogenannte Halbteilungsgrundsatz zu berücksichtigen ist.
Der Kläger (Kl.) wird allein zur VSt veranlagt. Durch Bescheid vom 07.01.1998 setzte der Beklagte (Bekl.) die VSt auf den 01.01.1996 auf 2.335 DM fest. Die Einkommensteuer(ESt)-Festsetzungen für den Kl. beliefen sich für das Jahr 1995 auf 507.906 DM nebst 23.608 DM Solidaritätszuschlag (Gesamtbetrag der Einkünfte 1.054.060 DM) und für 1996 auf 136.311 DM nebst 10.101 DM Solidaritätszuschlag (Gesamtbetrag der Einkünfte 341.417 DM).
Mit seinem Einspruch vom 15.01.1998 begehrte der Kl. die anderweitige Festsetzung der VSt, da seine Anteile an der MHP GmbH mit einem unzutreffenden Wert erfasst seien. Zudem vertrat er die Auffassung, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.06.1995 sei für eine VSt-Festsetzung nach dem 31.12.1996 kein Raum mehr. Zumindest sei die VSt-Veranlagung unter Berücksichtigung des sogenannten Halbteilungsgrundsatzes durchzuführen. Unter Hinweis auf das beim BFH anhängige Verfahren II R 47/97 beantragte er, das Verfahren ruhen zu lassen. Durch Änderungsbescheid vom 18.02.1998 setzte der Bekl. die VSt auf den 01.01.1996 auf 2.145 DM fest und berücksichtigte dabei die Anteile des Kl. an der MHP GmbH mit einem geringeren Wertansatz als bisher. Am 09.03.1998 ordnete er unter Hinweis auf das beim BFH anhängige Verfahren II R 76/97 zur Frage der Zulässigkeit von VSt-Festsetzung nach dem 31.12.1996 das Ruhen des Verfahrens an.
In der Folge schränkte der Kl. sein Einspruchsbegehren dahingehend ein, bei der Festsetzung der VSt den sogenannten Halbteilungsgrundsatz zu berücksichtigen. Die Vorlage einer Berechnung zur Übermaßbesteuerung in seinem konkreten Fall lehnte der Kl. unter Hinweis darauf ab, dass die Frage des Vorliegens einer Übermaßbesteuerung Gegenstand beim Bundesfinanzhof anhängiger Verfahren sei.
Mit Beschluss vom 30.03.1998 (1 BvR 1831/97, BStBl. II 1998, 422) bestätigte das Bundesverfassungsgericht die Auffassung, dass die mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärten Regelungen des Vermögensteuergesetzes (VStG) auf alle bis zum 31.12.1996 verwirklichten Tatbestände anzuwenden sei. In dem Verfahren II R 47/97 bestätigte der BFH durch Urteil vom 30.09.1998 (BFH/NV 1999, 452) die weitere Anwendbarkeit des VStG auf alle bis zum 31.12.1996 verwirklichten Tatbestände und entschied dabei auch, dass eine den sogenannten Halbteilungsgrundsatz übersteigende steuerliche Gesamtbelastung für sich allein nicht rechtswidrig sei. Die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20.01.1999, 1 BvR 2136/98, nicht zur Entscheidung angenommen.
Durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 12.11.1998 wies der Bekl. den Einspruch des Kl. als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er darauf, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.06.1995 bleibe hinsichtlich der Bezugsgröße für einen sogenannten Halbteilungsgrundsatz unscharf. Der Kl. habe insoweit keine eigene Berechnung der ihn treffenden Übermaßbesteuerung vorgelegt. Es scheine im Übrigen unvorstellbar, dass das Bundesverfassungsgericht für vor 1997 liegende Jahre die vom Kl. begehrten Rechtsfolgen ziehen werde.
Mit Klage vom 08.12.1998 verfolgt der Kl. sein Begehren weiter.
Unter Hinweis auf die beim Bundesverfassungsgericht zu Az. 2 BvR 2194/99 anhängige Verfassungsbeschwerde beantragt er, das Verfahren weiterhin ruhen zu lassen. Er vertritt die Auffassung, wegen des genannten Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht sei auch der Bekl. am Erlass einer EE gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 Abgabenordnung (AO) gehindert gewesen. Bereits aus diesen Gründen sei die EE isoliert aufzuheben und die Sache an ...