Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer 1996
Tenor
Der Änderungsbescheid 1996 vom 28.01.1998 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluß:
Der Streitwert wird auf … DM festgesetzt.
Gründe
Streitig ist, ob zwischen entsorgungspflichtigem Kreis und privatem Deponiebetreiber oder/und zwischen letzterem und den Müllanlieferern ein steuerbares Leistungsaustauschverhältnis besteht.
Die Klägerin (Klin. – auch AWG genannt –) ist seit 01.09.1994 Eigentümerin der in E. gelegenen Zentraldeponie des Kreises … (W.), auf der sämtliche im Kreisgebiet anfallenden privaten, gewerblichen und kommunalen Abfälle entsorgt werden. Vorheriger Eigentümer der Deponie war der Kreis, der zugleich Mehrheitsgesellschafter der Klin. ist.
Grundlage für die Tätigkeit der Klin war ein im Jahr 1992 zwischen ihr und dem Kreis mit Wirkung vom 01.01.1993 abgeschlossener Entsorgungsvertrag, der auszugsweise wie folgt lautet:
„Präambel:
Der Kreis W. entsorgt in seinem Gebiet als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung die Abfälle im Sinne der Vorschriften des Gesetztes über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen. Zur Sicherstellung einer optimalen Aufgabenerfüllung … soll die Abfallwirtschaft zukünftig in gemischt-wirtschaftlicher Form organisiert werden.
§ 1 Abs. 1:
Der Kreis beauftragt die AWG als Dritten i. S. von § 3 Abs. 2 Satz 2 Abfallgesetz mit der Durchführung der Maßnahmen zur Vermeidung, Verwertung und Behandlung der jeweils seiner Entsorgungspflicht unterliegenden Abfälle …
Die öffentlich-rechtliche Entsorgungspflicht des Kreises bleibt unberührt.
Abs. 2:
Die AWG verpflichtet sich, die … Entsorgung … eigenverantwortlich sicherzustellen.
§ 2 Abs. 1:
Die AWG setzt das Abfallwirtschaftskonzept des Kreises … in eigener Verantwortung um.
§ 3 Abs. 1:
Im Rahmen ihrer Aufgabe hat die AWG die … Entsorgungseinrichtungen und -anlagen eigenverantwortlich zu betreiben.
Abs. 3:
Die AWG ist berechtigt und verpflichtet, alle … Genehmigungen und Zulassungen im eigenen Namen zu beschaffen.
Abs. 4:
Die AWG ist verpflichtet, … die für ihre Anlagen genehmigten Abfälle anzunehmen und zu entsorgen.
§ 7 Abs. 1:
Die AWG wird ab dem 01.01.1993 in direkte Leistungsbeziehungen mit den Anlieferern treten und ihre Leistungen diesen gegenüber auf der Basis privatrechtlicher Entgelte abrechnen.
Diese Entgelte sind unter Berücksichtigung der für den Kreis bei der Gebührenkalkulation maßgeblichen Grundsätze zu kalkulieren. Sie bedürfen der Zustimmung des Kreistages des Kreises W.
Abs. 3:
Sollte der Kreistag des Kreises W. seine Zustimmung zur Erhebung kostendeckender Entgelte im Sinn der §§ 6 Abs. 2 KAG und 9 Abs. 2 LAbfG einschließlich eines angemessenen Gewinnzuschlages nicht erteilen, so ist der Kreis W. zum Ausgleich der Differenz verpflichtet.”
Bereits am 20.06.1991 hatte der Kreis W. eine Abfallsatzung erlassen, in der es u. a. heißt:
„§ 1 Abs. 1:
Der Kreis betreibt die Abfallentsorgung in seinem Gebiet nach Maßgabe der Gesetze und dieser Satzung als öffentliche Einrichtung. Diese bildet eine rechtliche und wirtschaftliche Einheit.
Abs. 3:
Der Kreis kann sich zur Durchführung diese Aufgaben ganz oder teilweise Dritter bedienen.
§ 16:
Für die Inanspruchnahme der vom Kreis zur Verfügung gestellten Abfallentsorgungsanlagen sind Entgelte zu zahlen, die dem Anlieferer von dem vom Kreis beauftragten Anlagenbetreiber direkt in Rechnung gestellt werden.”
Die Satzung setzte keine Entsorgungsgebühren fest. Sie bestimmte in § 16 Satz 2 lediglich, daß der Anlagenbetreiber hinsichtlich der Festsetzung der Höhe der Entgelte der Zustimmung des Kreises bedürfe.
Die Satzung in der Fassung vom 19.12.1996 weist eine leicht geänderte Formulierung auf. So heißt es dort in § 1 Abs. 2:
„Die Durchführung der abfallwirtschaftlichen Aufgaben hat der Kreis auf die AWG übertragen.”
Die Entgeltsregelung in § 18 (zuvor § 16) lautet:
„Für die Inanspruchnahme der vom Kreis zur Verfügung gestellten Abfallentsorgungsanlagen sind Entgelte zu zahlen, die dem Anlieferer vom Anlagenbetreiber direkt in Rechnung gestellt werden. Die Höhe der Entgelte wird im Eingangsbereich der jeweiligen Entsorgungsanlage ausgewiesen.”
Im Streitjahr 1996 erteilte nicht der Kreis W., sondern allein die Klin. allen privaten, gewerblichen und kommunalen Müllanlieferern auf eigenem Kopfbogen Rechnungen folgenden Inhalts:
„Sie haben am Entsorgungszentrum Ennigerloh in der Zeit vom … bis … Abfälle/Wertstoffe angeliefert …. Aufgrund der Satzung des Kreises W. über die Erhebung von Entgelt für die Benutzung des Entsorgungszentrums – jeweils in der zur Zeit gültigen Fassung – wird Ihnen hiermit der Betrag von netto … zzgl. 15% MWSt … berechnet.” Zugrunde lagen den Abrechnungen Lieferscheine, in denen die Klin. als Betreiberin des Entsorgungszentrums benannt war.
Während die Klin. in ihrer Umsatzsteuer (USt)-Erklärung Umsätze gegenüber den Müllanlieferern in Höhe der abgerechneten Entgelte erfaßte, vertrat eine bei der Klin. durchgeführte USt-Sonderprüfung (Sp, Bericht, vom 06.01.1998 Tz. 9, 10, 11, 12...