Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Berücksichtigung der Aufwendungen für die Adoption eines Kindes als außergewöhnliche Belastungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen Zusammenhang mit einer Adoption eines Kindes im Falle organisch bedingter Sterilität eines Partners entstanden sind, stellen keine Krankheitskosten dar und sind keine außergewöhnlichen Belastungen i.S.v. § 33 EStG.
2. Eine Adoption ist keine (medizinische) Heilbehandlung und kann einer solchen auch nicht gleichgestellt werden. Sie ist in erster Linie eine (rechtliche) Maßnahme zur Begründung (und Beendigung) rechtlicher Verwandtschaftsverhältnisse, die auf dem freiwilligen Entschluss beruhen, ein Kind anzunehmen.
3. Aufwendungen für Auslandsadoptionen sind weder aus rechtlichen noch aus sittlichen Gründen zwangsläufig. Der Entschluss zur Adoption beruht vielmehr – auch nach erfolgloser Kinderwunschbehandlung – auf einer vom Willen des Steuerpflichtigen getragenen (neuen) freien Entscheidung, die ungewollte Kinderlosigkeit nunmehr durch Adoption zu beenden.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 2, 1
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen für die Adoption zweier Kinder als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.
Die Kläger wurden im Streitjahr 2021 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten jeweils Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit.
Die Kläger waren ungewollt kinderlos. Die […] geborene Klägerin leidet an Endometriose. Die Zeugungsfähigkeit des […] geborenen Klägers ist eingeschränkt. Mehrere in der Zeit vom xx.xx.2014 bis xx.xx.2014, vom xx.xx.2014 bis xx.xx.2014, vom xx.xx.2015 bis xx.xx.2015, am xx.xx.2015, vom xx.xx.2015 bis xx.xx.2015 und am xx.xx.2016 durchgeführte medizinische Kinderwunschbehandlungen (durchgeführte Therapie: In-vitro-Fertilisation, Embryotransfer und Embryotransfer nach Kryokonservierung) blieben erfolglos.
Im Jahr 2022 adoptierten die Kläger zwei in X. (= im Ausland) geborene Mädchen (D. F., geboren am xx.xx.2018, und E. F., geboren am xx.xx.2019).
Die Adoptionen wurden in Deutschland von dem Verein Y, einer staatlich anerkannten Adoptionsvermittlungsstelle gemäß § 4 Abs. 1 und 2 Adoptionsvermittlungsgesetz, begleitet. Mit Schreiben vom xx.xx.2021 teilte der Verein den Klägern mit, dass die Kosten des Verfahrens in X. für die beiden Kinder insgesamt … US$ betragen würden. Der Betrag umfasse die Kosten der Versorgung und Betreuung der Kinder im Kinderheim einschließlich der ärztlichen Versorgung, die Kosten für den Anwalt sowie behördliche Gebühren. Der Betrag war in mehreren Raten, deren Fälligkeit abhängig vom Fortschritt des Adoptionsverfahrens war, zu zahlen. Im Streitjahr zahlten die Kläger hierauf insgesamt … €.
Zur besseren Integration der Kinder in Deutschland erhielten die beiden Mädchen bereits in X. Deutschunterricht. Hierfür zahlten die Kläger im Streitjahr … €.
Zur Vorbereitung der Adoption reisten die Kläger nach X. Hierfür entstanden Reisekosten in Höhe von … €, die sich aus Flugkosten (… € – davon … € für „Upgrade Business”), Hotelkosten (… €), Corona-Tests (… €), Kosten für Kreditkartenzahlungen (… €), Verpflegung (… €) und Kosten für eine Begleitung durch eine Mitarbeiterin des Vereins Y in X. (… €) zusammensetzten.
Die in der Einkommensteuererklärung für 2021 als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend gemachten Adoptionskosten in Höhe von … € blieben im Bescheid vom 16.12.2022 unberücksichtigt. Berücksichtigte Krankheitskosten (… €) und sonstige außergewöhnliche Belastungen (… €) wirkten sich wegen der zumutbaren Belastung in Höhe von … € nicht steuermindernd aus. Zur Begründung der Nichtanerkennung der Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastungen verwies der Beklagte im Bescheid auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13.03.2015 (VI R 60/11, BStBl II 2015, 695).
Die Kläger legten hiergegen am 21.12.2022 Einspruch ein und begehrten die Anerkennung der Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastungen. Zur Begründung führten sie aus, dass die vom Beklagten zitierte Rechtsprechung überholt sei. Seit dem 01.04.2021 sei das neue „Adoptionshilfe-Gesetz” in Kraft getreten. Sämtliche Adoptionen – insbesondere Auslandsadoptionen – seien nunmehr an der neuen Rechtslage auszurichten. Auslandsadoptionen seien nunmehr immer durch eine Fachstelle im Ausland zu begleiten. Diese Fachstelle achte darauf, dass die Adoption dem Kindeswohl diene und lege fest, welche Voraussetzungen die Adoptiveltern mitbringen müssten. So seien ihnen beispielsweise die Kosten für den von der Fachstelle verlangten Sprachunterricht der Kinder in X. zwangsläufig entstanden.
Mit Erörterungsschreiben vom 22.12.2022 und vom 22.03.2023 vertrat der Beklagte die Ansicht, dass der Einspruch unbegründet sei. Die Adoptionskosten seien nicht zwangsläufig entstanden. Ursächlich für die Entstehung der Aufwendungen sei der Entschluss zur Adoption, welcher der privaten Lebensführung zuzuordnen sei. Dieser Entschluss diene der Verwirklichung des indi...