Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht von Dialysezentren
Leitsatz (redaktionell)
1) Dialysezentren sind nicht nach § 3 Nr. 20 Buchst. b) oder d) GewStG von der Gewerbesteuer befreit.
2) Nicht abzugsfähig sind Kosten der Vermögensauseinandersetzung oder Zahlungen zur Beendigung einer solchen.
Normenkette
GewStG § 3 Nr. 20 Buchst. d; KHG § 2 Nr. 1; SGB V §§ 107, 39 Abs. 1; GewStG § 3 Nr. 20 Buchst. b)
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob Dialysezentren nach § 3 Nr. 20 Buchstabe b) oder d) des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) von der Gewerbesteuer befreit sind.
Die Klägerin, eine GmbH, betreibt zwei Dialysezentren in Zusammenarbeit mit einer medizinischen Gemeinschaftspraxis. Die Klägerin selbst beschäftigt keine Mediziner, sondern qualifizierte Krankenfachkräfte und -pfleger, welche die Patienten während der Dialysen betreuen.
Während einer Betriebsprüfung für die Jahre 1998 bis 2002 verständigten sich die Klägerin und die Betriebsprüfung darauf, dass die Gewerbeerträge nach § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG steuerfrei seien. Bei einem Dialysezentrum handele es sich um eine „Einrichtung zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen”. Pflegebedürftig seien die behandelten Personen deshalb, weil sie nicht imstande seien, ihre Blase zu entleeren und insoweit auf die Hilfe des Dialysezentrums angewiesen seien (so die Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 27. 1. 2004 unter Hinweis auf Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 14. 11. 1997, BStBl I 1997, 957, und auf § 14 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs XI – SGB XI –).
Für die vorliegenden Streitjahre 2004 bis 2009 gab die Klägerin deshalb keine Gewerbesteuererklärungen ab. Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) setzte auch zunächst keine Gewerbesteuermessbeträge für diese Jahre fest.
Für den vorhergehenden Veranlagungszeitraum 2003 wurde im Anschluss an eine weitere Betriebsprüfung zwischen den Beteiligten streitig, ob eine Schadensersatzleistung wegen der Nichteröffnung eines Dialysezentrums unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG fällt. Sowohl der erkennende Senat (Urteil vom 27. 4. 2010 9 K 5258/07, EFG 2011, 70) als auch nachgehend der Bundesfinanzhof (BFH, Beschluss vom 8. 9. 2011 I R 78/10, BFH/NV 2012, 44) verneinten dies und ließen gleichzeitig offen, ob der Betrieb eines Dialysezentrums gemäß § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG von der Gewerbesteuer befreit ist.
Im Jahr 2009 ordnete das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung A (GKBP) bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Jahre 2004 bis 2006 u.a. bezüglich der Gewerbesteuer an und begann diese noch im selben Jahr. Die Prüfung wurde im Jahr 2010 auf die Jahre 2007 bis 2008 erweitert. Zur Gewerbesteuerpflicht vertrat die Prüferin die Auffassung, der Betrieb eines Dialysezentrums unterfalle nicht der Gewerbesteuerfreiheit nach § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG. Die Dialyse kompensiere nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) lediglich die ausgefallene Nierenfunktion und begründe damit keine Pflegebedürftigkeit i.S. des § 14 SGB XI (Tz. 2.6 des Betriebprüfungsberichts vom 15. 12. 2010).
Das FA erließ daraufhin – unter Berücksichtigung weiterer, zwischenzeitlich nicht mehr streitiger Prüfungsfeststellungen (vgl. Klagerücknahme im Verfahren 9 K 108/12) – erstmalig Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2004 bis 2008 vom 1. 7. 2011 und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung einen Gewerbesteuermessbescheid für das Jahr 2009 vom 26. 7. 2011.
Die Klägerin legte dagegen Einsprüche ein. Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA aus für das vorliegende Verfahren nicht relevanten Gründen einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid 2008 vom 5. 8. 2011.
Durch Einspruchsentscheidung vom 9. 12. 2011 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück.
Die Klägerin betreibe keine Einrichtung zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen i.S. des § 3 Nr. 20 Buchstabe d) 1. Alternative GewStG. Für die Auslegung des § 3 Nr. 20 Buchstabe d) GewStG sei auf die Begriffsbestimmungen des SGB zurückzugreifen. Pflegebedürftig seien nach § 14 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer in erheblichem oder höherem Maße Hilfe bedürften. Als gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtung komme bei Dialysepatienten lediglich das Entleeren der Blase in Betracht (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI). Einer dahingehenden Auslegung stehe jedoch die BSG-Rechtsprechung entgegen. Danach umfasse der Begriff der Blasenentleerung nur die Abführung der Körperflüssigkeit, die in den Nieren produziert worden sei und sich in der Harnblase oder in einem Blasenersatz gesammelt habe. Die Dialyse stelle nach Auffassung des BSG keine Blasenentleerung dar, sondern kompensiere die ausgefallene Nierenfunktion. Sie begründe damit keine Pflegebedü...